15 Prozent sind überschuldet
Krefeld liegt weit über dem Durchschnitt in NRW. Sozialdienste und Verbraucherzentrale schlagen Alarm.
In Krefeld ist die Quote der überschuldeten Haushalte von 12,8 Prozent im Jahr 2011 auf 15 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. „Hiermit befindet sich Krefeld weit über dem Durchschnitt in NRW, der bei 11,6 Prozent liegt“, sagt Tanja Himer, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). Vor allem alleinerziehende Mütter sind überproportional betroffen. Aber auch die Zahl der alten Menschen, vor allem Frauen, steigt, die wegen ihrer geringen Rente meist unter dem durchschnittlichen monatlichen Einkommen von 823 Euro liegen und deshalb Anspruch auf Grundsicherung haben. „Die Nachfrage nimmt stetig zu“, bestätigen der SkF, der SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste) und die Verbraucherzentrale.
Die Drei arbeiten eng mit der Diakonie Krefeld zusammen. Doch während die Diakonie seit 1992 einen eigenen Vertrag hat, der laut Geschäftsführerin Ellen Weinebrod zu 80 Prozent die Personalkosten abdeckt, reicht der städtische Zuschuss für die anderen Beratungsangebote längst nicht aus. Seit dem Jahr 2011 haben SkF, SKM und die Verbraucherzentrale NRW einen gemeinsamen Vertrag und erhalten zusammen einen Zuschuss in Höhe von 25 000 Euro für die Beratung arbeitsloser Hilfesuchender.
Viel zu wenig, wie Tanja Himer (SkF), Carolin Frank-Djabbarpour (SKM-Krefeld) und Elisabeth Elsner (Verbraucherzentrale) in einem Gespräch deutlich machen. „Um die Angebote nachhaltig zu sichern, ist eine Aufstockung der Zuschüsse um weitere 104 384 Euro nötig“, sagen sie unisono und belegen das mit ihren Kosten- und Finanzierungsplänen. Bereits jetzt beträgt die Wartezeit für eine Schuldnerberatung zwischen vier und sechs Monaten.
Der SkF erhält von der Stadt 10 000 Euro und vom Land für die Verbraucherinsolvenzberatung weitere 22 500 Euro, insgesamt also 32 500 Euro an Zuschüssen. Dem gegenüber stehen Kosten für die festgeschriebenen 1,6 Vollzeitstellen von 116 160 Euro sowie eine Sach- und Verwaltungskostenpauschale von 23 232 Euro, summa summarum 139 392 Euro. Die finanzielle Situation beim SKM ist gleich.
Jeweils mehr als 100 000 Euro im Jahr stemmen beide Vereine derzeit aus eigener Tasche. „Aber auch wir Vereine können es uns nicht leisten, defizitär zu arbeiten“, sagt Himer. Beide seien zwar bereit, auch weiterhin einen erheblichen Trägereigenanteil jeweils in Höhe von 60 000 Euro zu tragen; aber eben nicht mehr. Auch fordern beide Sozialvereine eine jährliche Anpassung an die Personalkosten.
Während es für SkF und SKM um den Erhalt ihrer Angebote für Schuldner geht, will die Verbraucherzentrale ihr wöchentliches Beratungsangebot um vier Stunden auf künftig acht Stunden erweitern. „Wir haben mit unserem breiten Gesamtangebot und unserer Beratung zu Geld- und Kreditproblemen die Möglichkeit, Menschen frühzeitig zu erreichen“, sagt Elisabeth Elsner. Deren Probleme reichen von Knebelverträgen, Internet-Abzocke bis hin zu existenzbedrohenden Situationen wie Kontopfändungen, Androhungen von Stromsperren und Kündigungen der Wohnung.
„Ratsuchenden, die sehr hoch verschuldet sind, wird das Insolvenzverfahren als Instrument zur Schuldenregulierung erläutert, und sie werden an die Beratungsstellen von SkF, SKM und Diakonie weiter vermittelt“, beschreibt Elisabeth Elsner. Doch die Wartezeiten sind lang. In der Zwischenzeit bleibt die Verbraucherzentrale Anlaufstelle für die Betroffenen.
„Unstrittig ist auch unter den anderen beteiligten Trägern in Krefeld der weiterhin hohe Bedarf an Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung in Krefeld, die Notwendigkeit der Sicherung des vorhandenen Angebotes sowie eines schrittweisen Ausbaus der Angebote“, erklärt Tanja Himer.
Durch die verschiedenen Beratungsangebote in Krefeld gebe es auch zusätzliche Zugänge. Der SkF habe einen intensiven Zugang zu Familien, Alleinerziehenden und Frauen und könne Menschen beraten, in deren Haushalt oftmals Kinder mit leben, die offenkundig in Krefeld stark von Armut betroffen und bedroht sind. Der SKM hingegen spreche verstärkt Strafentlassene, psychisch kranke Menschen wie auch junge Geflüchtete im Rahmen der Patenschaften an. Und die Verbraucherzentrale sei für jeden ratsuchenden Verbraucher Anlaufstelle. „Oftmals stellen sich erst in einem Gespräch die weitreichenden Problem dar“, erklärt Elisabeth Elnser.
„Das Thema Überschuldung zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten durch“, sagt Tanja Himer aus Erfahrung. Es könne jeden treffen, auch jüngere Menschen in Niedriglohn-Arbeitsbereichen.
Als Beispiel zählt sie Erzieherinnen und Pflegekräfte auf, die trotz Vollzeit-Arbeit nur wenig verdienen und sich deshalb schnell verschulden könnten. Von der Vorstellung, dass ihre Beratungsarbeit bei wieder zunehmender Vollzeitbeschäftigung in Deutschland weniger werden könnte, haben sich Frank, Himer und Elsner längst verabschiedet.