Merkel unterstützt Draghi: Weg an EZB-Spitze frei

Berlin/Frankfurt (dpa) - Der Italiener Mario Draghi steht vor dem Sprung an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Nach Frankreich und Italien unterstützt nun auch Deutschland eine Kandidatur des italienischen Notenbank-Präsidenten für den Chefposten der EZB.

Mit dieser Rückendeckung dürfte die Nachfolge von Amtsinhaber Jean-Claude Trichet geklärt sein - zumal Gegenkandidaten nicht in Sicht sind. Der Franzose scheidet Ende Oktober turnusmäßig als EZB-Präsident aus.

Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte am Mittwoch in Berlin, die Bundesregierung würde den Italiener unterstützen, wenn er eine Kandidatur anmelde. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erstmals Zustimmung für Draghi signalisiert. „Er steht unseren Vorstellungen von Stabilitätskultur und solidem Wirtschaften sehr nahe. Deutschland könnte eine Kandidatur von ihm für das Amt des EZB-Präsidenten unterstützen“, sagte sie der Wochenzeitung „Die Zeit“. Draghi sei eine sehr interessante und erfahrene Persönlichkeit.

Zuvor hatten sich Merkel und der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu europäischen Fragen abgestimmt. Bislang hatte sich Merkel mit einer Entscheidung zurückgehalten. Unter anderem geht es dem Vernehmen nach um entsprechende Gegenleistungen.

Ursprünglich wollte Deutschland den damaligen Bundesbank-Chef Axel Weber als obersten Währungshüter in der Eurozone installieren. Seine lautstarke Kritik an der Krisenpolitik der EZB, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kauf von Staatsanleihen zur Rettung hoch verschuldeter Länder, isolierte Weber aber. Schließlich kündigte er überraschend seinen Rückzug als Bundesbank-Präsident an und gab damit auch eine mögliche Perspektive auf den EZB-Chefsessel auf.

Die Staats- und Regierungschefs der EU entscheiden bei ihrem nächsten Gipfel am 24. Juni in Brüssel über die Spitzenpersonalie. Erwartet wird, dass Italien Draghis Kandidatur schon beim Treffen der Euro- und EU-Finanzminister kommende Woche anmeldet.

Bereits Ende April hatte die „Bild“-Zeitung geschrieben, Merkel habe nach Weber Rückzug alle Pläne aufgegeben, einen deutschen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Mit Draghi solle nun der „deutscheste aller verbliebenen Kandidaten“ unterstützt werden.

Kritiker vor allem in Deutschland bemängeln, dass Draghi aus einem hoch verschuldeten Euro-Land stammt. Kenner beschreiben den Bank- und Finanzexperten aber als ausgezeichneten Fachmann und siedeln ihn eher unter den geldpolitischen Hardlinern („Falken“) ein als unter den „Tauben“, die eine lockere Geldpolitik bevorzugen.

Ähnlich wie Weber hatte er sich zudem kritisch über das Aufkaufprogramm für Staatspapiere geäußert. Er sieht die Unabhängigkeit der Zentralbank in Gefahr.