Mineralölwirtschaft attackiert Kartellamt
Berlin (dpa) - Die Mineralölwirtschaft hat das Bundeskartellamt heftig angegriffen, nachdem am Wochenende erste Ergebnisse einer Sektoruntersuchung des deutschen Benzinmarktes öffentlich wurden. „Das Kartellamt hat drei Jahre geprüft, Millionen von Daten ausgewertet, jeden Stein dreimal umgedreht“.
Das sagte Klaus Picard, der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), am Montag in Berlin. „Es hatte den festen Vorsatz, Preisabsprachen nachzuweisen. Das konnte nicht gelingen, weil es keine gibt.“ Nun fehle dem Amt der Mut und die Größe, einfach zu sagen: Sorry, wir haben uns geirrt.
Das Bundeskartellamt stellt am Donnerstag die Ergebnisse einer Sektoruntersuchung vor, die teilweise bereits am Wochenende in mehreren Medien veröffentlicht wurden. Danach wird der Benzinmarkt in Deutschland von den größten fünf Unternehmen dominiert, die 70 Prozent des Absatzes auf sich vereinigen. Die beiden Marktführer Aral und Shell mit jeweils mehr als 20 Prozent Marktanteil seien zudem die Signalgeber bei den häufigen Preisrunden in der Branche. Einen Beleg für Preisabsprachen gebe es jedoch nicht; die Firmen würden sich eingehend über die Preise der Konkurrenz informieren und entsprechend verhalten.
„Mit der Bewertung 'marktbeherrschendes Oligopol' versucht das Kartellamt erneut, eine ganze Branche in die Grauzone und Schmuddelecke zu ziehen“, sagte Picard. „Für den Autofahrer kommt nichts dabei heraus, nur Verunsicherung und Verwirrung.“ Die Preise vor Steuern gehörten schon jetzt zu den niedrigsten in Europa. Wer den Autofahrer entlasten wolle, müsse die Mineralöl- und Ökosteuer senken. „Mehr Markt geht gar nicht“, sagte der Cheflobbyist der Branche.
Politiker aus mehreren Parteien regierten dagegen besorgt auf die bekanntgewordenen Inhalte der Kartellamts-Studie. „Es hat mich sehr beunruhigt, dass da ein paar Wenige offenbar die Preise so miteinander ausmachen, dass ein Wettbewerb gar nicht stattfindet“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Montag im ARD-„Morgenmagazin“. „Das muss sich dringend ändern.“ Ähnlich äußerte sich Christine Scheel von den Grünen. Sie schlug in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vor, die Mineralölkonzerne „doch irgendwie vielleicht zu zerschlagen“. „Wir brauchen mehr Transparenz, wir brauchen eine Offenlegung der Preiskalkulation und wir müssen natürlich auch dafür sorgen, uns ein Stück unabhängiger von diesen Öllieferanten zu machen“, sagte sie.
Auch die Bundesregierung mahnte mehr Wettbewerb an. Er werde den Abschlussbericht des Bundeskartellamtes genau analysieren, sobald er vorliegt, sagte Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP). Die Bundesregierung werde intensiv erörtern, welche politischen Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen sind. „Dabei schließe ich eine Verschärfung der rechtlichen Rahmenbedingungen ausdrücklich nicht aus“, sagte Rösler. Der frühere Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte ein Gesetz geplant, mit dem marktbeherrschende Konzerne notfalls zerschlagen werden sollten. Dieses Entflechtungsgesetz hatte Brüderle in der Koalition aber nicht durchsetzen können.
Der ADAC forderte dringend Konsequenzen. Nachdem das Amt festgestellt habe, dass Wettbewerbshindernisse auf dem deutschen Kraftstoffmarkt zu erhöhten Spritpreisen führten, seien der Wirtschaftsminister und das Bundeskartellamt gefordert, konkrete Vorschläge zur Verbesserung des wettbewerbsrechtlichen Instrumentariums vorzulegen, heißt es in einer ADAC-Mitteilung. Ziel müsse es sein, eine weitere Konzentration auf dem deutschen Kraftstoffmarkt zu verhindern und den Wettbewerb zu stärken.
Politik und Behörden haben dagegen nach Einschätzung des Berliner Wettbewerbsexperten Hans W. Friederiszick kaum eine Möglichkeit, durch Eingriffe in den Tankstellenmarkt niedrigere Benzinpreise herbeizuführen. Die häufigen Preiserhöhungen und -senkungen seien zwar anstrengend für die Verbraucher und die Unternehmen. Die Alternative wären stabilere Preise ohne die starken Zyklen, die dann jedoch höher wären. Es sei in der wissenschaftlichen Literatur gut belegt, dass diese für den Benzinmarkt typischen Zyklen bei den Anbietern zu 15 bis 20 Prozent niedrigeren Margen führten.