Frist von einem Jahr Ministerin Barley droht mit Frauenquote für Vorstände

Berlin (dpa) - Familienministerin Katarina Barley (SPD) hat der Wirtschaft mit einer Frauenquote für Unternehmensvorstände gedroht und setzt dafür eine klare Frist.

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„Ich gebe der Wirtschaft noch ein Jahr Zeit, die Sache selbst zu regeln. Wenn sich bis dahin nichts tut, werden wir gesetzlich eingreifen“, sagte Barley dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Ich hätte kein Problem mit einer verpflichtenden Frauenquote auch für Unternehmensvorstände.“ Wirtschaftsverbände reagierten empört.

Offen blieb, wie Barley die Drohung notfalls realisieren will. Es ist unklar, ob die SPD nach der Bundestagswahl im September an einer neuen Regierung beteiligt ist.

Nach Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für die Privatwirtschaft ist der Frauenanteil in den Führungspositionen leicht gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt ein gemeinsamer Bericht von Familien- und Justizministerium, der am Mittwoch das Kabinett passiert hat.

Danach stieg der Anteil der Frauen in den Aufsichtsräten der betroffenen Unternehmen binnen Jahresfrist von 25,0 (2015) auf 27,3 Prozent (2016). Aktuelle Zahlen aus dem laufenden Jahr legten die Ministerien nicht vor. In den Vorstandsetagen bestehe allerdings noch „deutlicher Verbesserungsbedarf“. Auch in den Führungspositionen der Bundesverwaltung seien Frauen nach wie vor unterrepräsentiert.

Das lange umstrittene Gesetz war im Mai 2015 in Kraft getreten. Es verpflichtet rund 100 börsennotierte, mitbestimmungspflichtige Großunternehmen seit dem 1. Januar 2016 zu einer Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten. Wird bei einer Neubesetzung die Quote nicht eingehalten und für einen frei werdenden Posten keine Frau gefunden, sollen Stühle unbesetzt bleiben. Für die wichtigeren Vorstandsposten gibt es keine Quote. Der Frauenanteil in den Vorständen liegt dem Bericht zufolge bei gerade einmal 6,1 Prozent.

Barley sagte dem RND: „Wir konnten jahrzehntelang beobachten, dass Selbstverpflichtungen nicht funktionieren.“ Eine Pflicht für Firmen, ihre Vorstände ausgeglichen zu besetzen, gibt es bislang nicht. „In den Vorständen ist fast gar nichts passiert“, kritisierte sie. „Gerade mal sechs Prozent der Vorstände sind weiblich. Das geht so nicht weiter.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wies Barleys Drohung zurück. „Eine Quote für Vorstände wäre verfassungswidrig und würde einen massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführungsmitglied Iris Plöger dem RND. Ein Sprecher des Arbeitgeberverbands BDA betonte: „Statt die Privatwirtschaft mit pauschalen Regulierungen zu überziehen, sollte die Politik in den Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung die Zahl der Frauen in Führungspositionen beherzt erhöhen.“

Der frauenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg, nannte Barleys Kritik verfrüht: „Viele Positionen waren in der Zwischenzeit noch gar nicht frei, um neu besetzt zu werden. Der erste Zeitraum, in dem sich ein Unternehmen eine Zielgröße laut Gesetz setzen musste, endete am 30. Juni 2017.“

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sprach von einem „echten Durchbruch“ und kündigte an: „In der kommenden Legislaturperiode müssen wir die Frauenquote ausbauen und anschärfen. Unser Ziel ist, dass Führungsgremien zur Hälfte von Männern und zur Hälfte von Frauen besetzt sind.“ Die Grünen nannten die bisher gültige Quote halbherzig. „Wir wollen eine 40-Prozent-Quote für alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen, das sind dann immerhin rund 3500“, sagte die frauenpolitische Sprecherin Ulle Schauws.

In den Aufsichtsräten sind die Unternehmen nach früheren Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auf gutem Weg. Auch frühere Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bestätigten das. Demnach lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der rund 100 Unternehmen, die zur Quote verpflichtet sind, bei rund 27 Prozent. Anders sah es bei den Vorständen aus. Bei denselben 106 Unternehmen lag der Anteil der weiblichen Führungskräfte 2016 nur bei 6,5 Prozent, so das DIW.

Barley würdigte die Quote insgesamt als „Erfolg für die gesamte Gesellschaft“. Die jetzige Regelung könne aber nur ein Anfang sein. „Denn dort, wo keine feste Quote gilt, bewegt sich nach wie vor zu wenig.“ Justizminister Heiko Maas (SPD) verwies auf die gute Ausbildung der heutigen Frauen-Generation. „Ihr Potenzial ungenutzt zu lassen, wäre ein gravierender wirtschaftlicher Nachteil.“

Nachholbedarf gibt es auch in der Bundesverwaltung. Obwohl dort 54 Prozent aller Beschäftigten weiblich sind, lag der Frauenanteil in den Leitungsfunktionen zuletzt bei 33 Prozent. Darüber hinaus räumt der Regierungsbericht ein: „Je höher die Leitungsebene, desto weniger Frauen“. Unionsfraktionsvize Nadine Schön (CDU) sieht hier noch „viel Luft nach oben“. Gerade der öffentliche Dienst müsse Vorreiter werden: „Bis spätestens 2025 wollen wir dort eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Leitungsfunktion auf allen Ebenen.“