Nahles sieht Fachkräftepotenzial bei Frauen und Migranten
Berlin (dpa) - Ärzte und Informatiker sind ebenso betroffen wie Altenpfleger, Elektrotechniker und Klempner: In 20 Berufsgruppen fehlen bereits heute Fachkräfte. Die Bundesregierung will diesem Mangel nun begegnen, indem sie die Berufschancen von Frauen verbessert.
Die Hälfte der Frauen arbeite - häufig gegen ihren Wunsch - in Teilzeit, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). „Und deshalb wollen wir ein Recht auf Rückkehr in Vollzeit schaffen.“ Details, wie das umgesetzt werden soll, nannte sie nicht.
Nahles erläuterte, viele Frauen wünschten sich mehr Arbeitsstunden - nicht immer volle 38,5 Stunden, aber mehr als 20 auf jeden Fall. Insbesondere bei Frauen mit Migrationshintergrund schlummere noch großes Potenzial, sagte sie bei der Vorstellung des zweiten Fortschrittsberichts zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung.
Dem Bericht nach liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Frauen in Teilzeit bei 18,6 Stunden. Im EU-Vergleich weise nur Portugal (16,4 Stunden) einen niedrigeren Wert auf. Fast jede sechste Frau gebe an, dass sie keinen anderen Arbeitsplatz finden konnte. Etwa jede fünfte Mutter wolle mehr arbeiten.
Mit dem ebenfalls vom Kabinett verabschiedeten Haushalt stehen nach den Worten der Ministerin jetzt wieder 140 Millionen Euro zur Anwerbung junger ausländische Arbeitskräfte zur Verfügung. Diese jungen Menschen seien bisher vor allem aus Spanien gekommen, aber auch aus anderen Ländern.
Den Vorwurf der Wirtschaft, ihre Rente mit 63 bei 45 Beitragsjahren könnte bis zu 50 000 ältere Arbeitnehmer dazu verleiten, sich früher zur Ruhe zu setzen, wies Nahles zurück. Dieses Rentenalter werde stufenweise wieder auf 65 angehoben. Im übrigen sei künftig nicht mehr die entscheide Frage, wann man in Rente gehe, sondern wie das Älterwerden organisiert werde. Hier seien flexible Arbeitszeitmodelle gefragt.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer gab bei dem gemeinsamen Auftritt mit Nahles der Hoffnung Ausdruck, dass die Gesetzesvorlage zur Rente mit 63 noch geändert werde. Nach seinen Worten ist der Fachkräftemangel neben der Energiewende zentrales Thema der Wirtschaft. Bis etwa 2020 würden nach derzeitigen Berechnungen sechs Millionen Arbeitskräfte fehlen, davon 1,5 Millionen Facharbeiter und nur 150 000 Ingenieure.
Nach monatelangen Diskussionen um einen leichteren Zugang zu reglementierten Berufen in den Mitgliedsstaaten gab ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission indes Entwarnung: Am Meisterbrief für qualifizierte Handwerker solle nicht gerüttelt werden. Der Erfolg des deutschen Modells spreche für sich, sagte EU-Generaldirektor Daniel Calleja Crespo am Mittwoch auf der Handwerksmesse in München. „Der Meisterbrief ist eine der Säulen der deutschen Wirtschaft.“
Die Überlegungen der EU zielten darauf, durch flexiblere Möglichkeiten den Berufszugang zu lockern. Dabei ging es ihr auch darum, den Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit anzugehen. Das hatte in Deutschland Sorgen vor einer Aushöhlung des Meisterbriefs genährt. Das deutsche Handwerk pocht darauf, dass der Meisterbrief Voraussetzung bleibt, um sich in bestimmten Handwerksberufen wie Dachdecker, Bäcker oder Fleischer selbstständig zu machen.