Netzagentur gegen Extrakosten beim Netzausbau
Bonn (dpa) - Im parlamentarischen Verfahren zur Finanzierung des Gas- und Stromnetzausbaus beklagt die Bundesnetzagentur milliardenschwere Zusatzwünsche der Länder, die von den Verbrauchern finanziert werden müssten.
Wenn die laufende Reform der sogenannten Anreizregulierungsverordnung gemäß den Wünschen des Bundesrats-Wirtschaftsausschusses verändert würde, drohten Mehrkosten von 3,5 Milliarden Euro bis 2028, sagte der Leiter der Energieabteilung in der Behörde, Achim Zerres, der Deutschen Presse-Agentur.
Voraussichtlich am 8. Juli wird die Verordnung im Bundesrat in einer Plenarsitzung diskutiert. Die Netzbetreiber widersprachen der Kritik. Die Vorschläge im Bundesrats-Ausschuss seien „sinnvolle Abmilderungen“, erklärte der Branchenverband BDEW. „Eine Kapitalvernichtung bei den Verteilnetzbetreibern ist nicht das richtige Signal für die erforderlichen Energiewende-Investitionen.“ Protest kam auch vom Verband der kommunalen Unternehmen (VKU), der vor allem die Stadtwerke vertritt. Investitionen müssten möglich sein, forderte VKU-Chefin Katherina Reiche. Sonst würde Vertrauen zerstört und kommunales Vermögen entwertet.
Bau und Betrieb der Netze kosten die Verbraucher nach Branchenschätzungen derzeit pro Jahr etwa 18 Milliarden Euro beim Strom und rund 5,5 Milliarden beim Gas. Da es bei den Leitungsnetzen keinen natürlichen Wettbewerb gibt, werden die Erlöse der Versorger staatlich reguliert. Die Verbraucher bezahlen die Erlöse über die Netzentgelte, die seit Jahren steigen und bereits mehr als ein Fünftel des Strompreises ausmachen. Die künftigen Regulierungsvorgaben stehen im Mittelpunkt des Streits.
Dazu zählt auch die Verzinsung des Eigenkapitals der Netzbetreiber für neue Netzprojekte. Bisher hat die Behörde dafür einen Satz von 9,05 Prozent festgelegt. Er soll nach internen Planungen der Netzagentur - auch mit Blick auf die sehr niedrigen Kapitalmarktzinsen - auf 6,91 Prozent sinken.
Die Länder hatten auf eine Reform mit Erleichterungen für die Netzbetreiber gedrungen, um ein besseres Klima für Neuinvestitionen zu schaffen und so die Energiewende voranzutreiben.
Der Anfang Juni im Bundeskabinett verabschiedete Verordnungsentwurf kommt einigen Wünschen entgegen. Vor allem sollen Investitionen der Netzbetreiber danach sofort und nicht wie bisher erst nach Jahren berücksichtigt werden. Im Bundesrats-Ausschuss hatten die Länder aber weitere Erleichterungen gefordert. Unter anderem dringen sie darauf, dass die Unternehmen bereits finanzierte Anlagen bei der Berechnung der Netzentgelte weiter ansetzen dürfen. Außerdem sollten Vorgaben an die Netzbetreiber zur regelmäßigen Steigerung der Effizienz begrenzt werden.
Diese Forderungen brächten reine Zusatzgewinne der Energieversorger auf Kosten der Haushalte und Unternehmen, die sich fachlich nicht rechtfertigen ließen, kritisierte der Netzagentur-Abteilungsleiter. Dann wäre es möglicherweise besser, auf die Reform ganz zu verzichten und die Verordnung zu belassen wie sie jetzt ist. Der BDEW zeigte sich „verwundert“ über die scharfe Kritik. Die Netzbetreiber reduzierten schon seit Jahren kontinuierlich ihre Kosten. Zugleich kämen mit dem Anschluss vieler neuer Stromproduzenten in der Energiewende aber große Aufgaben auf sie zu.