Neue Bahngewerkschaft verlangt Verkehrswende
Fulda (dpa) - Die neue Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat von der Bundesregierung eine Wende zugunsten des Schienenverkehrs gefordert. Dafür sei ein Masterplan für den gesamten Verkehr in Deutschland notwendig.
So heißt es in einem Positionspapier, das auf dem Gründungskongress der Gewerkschaft am Mittwoch in Fulda verabschiedet wurde. Die EVG hatte sich am Vortag aus Transnet und GDBA gebildet. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer verteidigte das Konzept der Einheitsgewerkschaft. Berufsständische Organisationen seien nicht das Modell der Zukunft.
Der „Masterplan Verkehr“ müsse „ein Konzept für den Personenverkehr beinhalten, das den Erhalt und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur sichert“, stellte die Gewerkschaft fest. Die EVG fordert „eine Investitionsoffensive für die Schieneninfrastruktur“. Jährlich müssten mindestens eine Milliarde Euro in den Neu- und Ausbau von Schienenwegen fließen. Der jüngst vom Bundesverkehrsministerium vorgelegte Aktionsplan sei eine Rückschritt im Vergleich zum Masterplan Güterverkehr und Logistik aus dem Jahr 2008.
Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner sagte, die neue Gewerkschaft solle in den Betrieben und bei den Mitgliedern mehr Präsenz zeigen. „Alles muss sich am Mitglied orientieren“, forderte Kirchner. Der Wunsch nach mehr Anwesenheit sei von der Basis an den neuen Vorstand herangetragen worden. „Die Mitglieder wollten die Gewerkschaft stärker in den Betrieben sehen“, sagte Kirchners Stellvertreter Klaus-Dieter Hommel.
Mit dem Zusammenschluss der zuvor eigenständigen Gewerkschaften Transnet und GDBA hat sich die EVG mit insgesamt rund 240 000 Mitgliedern gegründet. 210 000 kommen von Transnet. Es ist der erste Zusammenschluss großer Gewerkschaften seit der Entstehung von Verdi aus fünf Einzelorganisationen 2001. Erstmals tun sich Organisationen des Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Beamtenbundes (DBB) zusammen. Die EVG ist wie zuvor Transnet Mitglied des DGB. DGB-Chef Michael Sommer nannte den Zusammenschluss dagegen „historisch“. Der Schritt stärke die Einheitsgewerkschaft und die Solidarität, sagte er den 800 Delegierten und Gästen.
Die erste große Aufgabe der neuen Organisation steht bereits am Freitag an. Dann beginnt in Berlin die Schlichtungsrunde zum Tarifstreit mit der Deutschen Bahn und den insgesamt sechs privaten Bahnbetreibern. „Wir wollen einen gemeinsamen Branchentarifvertrag“, sagte Kirchner. „Und ich bin mir sicher, dass wir ihn durchsetzen werden.“
Bahnchef Rüdiger Grube wertete die frisch vereinte Gewerkschaft nicht als Bedrohung. „Ich warte seit 580 Tagen auf diesen Schritt“, sagte er in Fulda. Langfristig werde der Zusammenschluss das Verständnis für die Gewerkschaft bei ihren Mitgliedern stärken. „Für die Mitglieder sind zwei Gewerkschaften schwer verständlich.“
Auch Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske freute sich auf die neue Gewerkschaft. „Wir arbeiten gerne mit der EVG zusammen.“ Er sehe keine Konkurrenz zu Verdi, sondern betonte die Bedeutung von Gemeinsamkeit. „Polemik zwischen den Gewerkschaften nützt uns nichts“, sagte er. Damit spielte Bsirske auf Äußerungen der Lokführergewerkschaft GDL an.
Die hatte einem EVG-Angebot zum Zusammenschluss eine klare Absage erteilt und die Fusion von Transnet und GDBA kritisiert. „Aus Größe entsteht keine Stärke: Wenn sich zwei schwache Gewerkschaften zusammentun, wird erst recht keine starke daraus“, hatte GDL-Chef Claus Weselsky gesagt. EVG-Vize Hommel hielt am Mittwoch dagegen: „Die GDL hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“