Neuer Tui-Chef Joussen will Konzern auf Ertrag trimmen

Hannover (dpa) - Europas größter Reisekonzern steht vor einer Neuordnung: Nach knapp zwei Jahrzehnten an der Spitze des Tui-Konzerns verabschiedete sich Vorstandschef Michael Frenzel (65) mit einem gestiegenen Quartalsverlust.

Nachfolger Friedrich Joussen (49) kündigte auf der Hauptversammlung am Mittwoch in Hannover eine Bestandsaufnahme an. Er will den Konzern schlanker machen, Kosten senken und mehr Rendite für die lange gebeutelten Aktionäre erwirtschaften. „Wir haben ein erhebliches Strukturdefizit“, sagte Joussen. Eine konkrete Strategie will Joussen demnächst präsentieren.

Während es von mehreren Aktionären eine teils harte Abrechnung zu hören gab, lobte Aufsichtsratschef Klaus Mangold Frenzels Arbeit. Der Manager hatte in 19 Jahren an der Vorstandsspitze den Umbau vom Industriekonglomerat Preussag zum Reisekonzern Tui gemanagt. Am 25. März will er auch seinen Posten als Verwaltungsratschef der Tochter Tui Travel an Joussen abgeben. Frenzel selbst zog insgesamt ein positives Fazit. Trotz eines Schuldenstands von 178 Millionen Euro nannte er die Tui „quasi schuldenfrei“.

Zum Start des Geschäftsjahrs 2012/13 (30. September) rutschte Tui allerdings erneut tiefer in die roten Zahlen. Die Tui-Aktie reagierte mit Kursverlusten. Die anhaltende Lust auf Urlaub bescherte der Tui auch zu Frenzels Abschied keine besseren Ergebnisse. Unterm Strich kletterte der saisontypische Verlust im ersten Geschäftsquartal bis Ende Dezember (nach Abzug von Minderheitsanteilen) um mehr als die Hälfte auf 137 Millionen Euro. Dieser Anstieg resultierte aus dem Wegfall von Zinseinnahmen aus der Rettung der Container-Reederei Hapag-Lloyd und des positiven Steuereffekts ein Jahr zuvor.

Außerdem drückte eine veränderte Bilanzierung von Leerflügen bei der Veranstaltertochter Tui Travel aufs Ergebnis. Der Konzernumsatz wuchs im ersten Geschäftsquartal um gut ein Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Der um Sondereffekte bereinigte Verlust vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Unternehmenswerte (EBITA) verringerte sich um vier Prozent auf 142 Millionen Euro. Dazu trug allerdings der Verkauf eines Riu-Hotels auf den Balearen bei. Dieser bescherte der Hotelsparte einen kräftigen Gewinnsprung. Das Kreuzfahrtgeschäft rutschte dagegen tiefer in die roten Zahlen.

Reiseunternehmen schreiben im Winter in aller Regel Verluste. Ihre Gewinne fahren sie in der Hauptreisezeit im Sommer ein. Aber auch die Container-Reederei Hapag-Lloyd, an der Tui noch mit 22 Prozent beteiligt ist, lieferte von Oktober bis Dezember einen anteiligen Verlust von acht Millionen Euro ab.

Frenzel riet seinem Nachfolger, die Verschmelzung mit der Veranstaltertochter Tui Travel voranzutreiben. Der jüngste Anlauf im Januar war an den verschiedenen Preisvorstellungen der Tui AG und der übrigen Tui-Travel-Großaktionäre gescheitert. Tui sitzt noch immer auf einer 22-prozentigen Beteiligung an der Container-Reederei Hapag-Lloyd. Zudem ist die Veranstaltertochter Tui Travel an der Börse fast doppelt so viel wert wie der deutsche Mutterkonzern.

Im Reisegeschäft zeigte die Entwicklung in den vergangenen Monaten nach oben. Zwar ging die Zahl der Gäste zwischen Oktober und Dezember im Jahresvergleich um mehr als drei Prozent zurück. Weil sich Tui aber inzwischen auf exklusivere und gewinnträchtigere Reiseangebote konzentriert, konnte sie im Schnitt höhere Preise durchsetzen. Fürs gesamte Geschäftsjahr 2012/2013 stellte Tui weiterhin mehr Umsatz, ein stabiles, um Sondereffekte bereinigtes EBITA und ein positives Konzernergebnis in Aussicht.

Eingerechnet in der Prognose sind aber Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter von Tui Travel. Die wichtigste Tochter gehört der Tui AG nur zu 56 Prozent, die übrigen Aktien von Tui Travel werden an der Londoner Börse gehandelt. Rechnet man die auf solche Minderheitsanteile entfallenden Ergebnisse ein, steckte Tui im ersten Geschäftsquartal sogar mit 184 Millionen Euro in den roten Zahlen.