Nordsee-Fischer dürfen mehr Hering fangen

Brüssel (dpa) - Mehr Fisch im Netz: In der Nordsee dürfen nächstes Jahr mehr Hering und Scholle gefangen werden als 2011. Darauf einigten sich die zuständigen EU-Minister am frühen Samstagmorgen nach einem knapp 18-stündigen Verhandlungsmarathon bei Fischereiverhandlungen in Brüssel.

Deutsche Kutter können 140 Prozent mehr Hering einfahren, sagte der deutsche Agrarstaatssekretär Robert Kloos der Nachrichtenagentur dpa. 2012 werden damit insgesamt rund 405 000 Tonnen Nordsee-Hering gefischt.

Für zahlreiche andere Fischbestände wurden die Fangquoten für die Nordsee und den Nordatlantik zwar gekürzt. Für Deutschland steht nach Worten Kloos' im kommenden Jahr unter dem Strich aber ein Plus. In den Vorjahren hatte es stets Rückgänge gegeben.

Auch Scholle und Kabeljau dürfen häufiger gefangen werden. Für die Nordsee-Scholle gab es eine Erhöhung von 15 Prozent, ebenso für arktischen Kabeljau vor der Küste Norwegens. Bereits im Oktober waren die Fangmengen für den Hering in der Ostsee zum ersten Mal seit vier Jahren erhöht worden.

Einbußen kommen beispielsweise beim Seelachs in der Nordsee. Hier wurde die Fangquote um 15 Prozent reduziert. Die Fangquoten für den Kabeljau in der Nordsee blieben nahezu auf Vorjahresniveau.

„Die Fischereipolitik Deutschlands trägt jetzt Früchte“, sagte Kloos. „Vor dem Hintergrund der zurückliegenden Jahre, wo es deutlich schwierigere Verhandlungen waren, wo deutliche Rückgänge zu beschließen waren, können wir heute durchweg zufrieden aus den Verhandlungen gehen.“

Schleswig-Holsteins Fischer sind mit den beschlossenen zufrieden. „So schlecht sieht es für die Nordsee doch gar nicht aus“, sagte der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein, Lorenz Marckwardt, am Samstag auf Anfrage. Die Erhöhung für den Hering sei gewaltig. „100 Prozent hätten es auch getan.“ Die Schollenbestände in der Nordsee seien so groß wie nie. Die Wiederaufbauplanungen der vergangenen Jahre hätten gegriffen.

Auch EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki betonte, bei vielen Beständen habe sich die Lage gebessert. „Die meisten Fischer können zufrieden sein.“

Heftige Kritik kam dagegen von Umweltverbänden. Die Umweltstiftung WWF kritisierte den Heringsbeschluss als „Rückfall in dunkle Zeiten“. Die Minister verfielen einem „riskanten und kurzsichtigen Gewinnstreben“, warnte WWF-Fischereiexpertin Karoline Schacht.

Auch die Meerschutz-Organisation Oceana zeigte sich enttäuscht. „Unglücklicherweise scheint niemand auf das Wohlergehen der Ressourcen zu achten“, erklärte Xavier Pastor, Oceana-Geschäftsführer für Europa. Er warf den Ministern mangelnde Weitsichtigkeit vor.

Kloos betonte hingegen: „Bei allen Beschlüssen gehen wir natürlich auf die Empfehlungen der Wissenschaft zurück.“ Deutschland habe in den vergangenen Jahren effizient gefischt. Dennoch müssten manche Fischbestände besser geschützt werden, räumte er ein.

Einen Erfolg verbuchte Deutschland EU-Kreisen zufolge bei den erlaubten Fangtagen für Kabeljau-Fischer. Die Zahl wurde für 2012 nicht noch weiter gekürzt. Frankreich und Großbritannien hatten die Forderung unterstützt.

Kloos hatte bereits vor den Verhandlungen betont, dass Deutschland weitere Einschnitte nicht verkraften könne. „Wir sind schon am Limit“, sagte er der dpa. „Das könnten wir auch den Fischern nicht erklären: Die Fangquote ist da, aber sie dürfen einfach nicht rausfahren.“