OECD sieht Deutschland auf Wachstumskurs
Paris/Mannheim (dpa) - Die OECD sieht Deutschland auf eindeutigem Wachstumskurs, mahnt aber zugleich weitere Reformen an. Reallohnzuwächse und die sinkende Arbeitslosigkeit dürften den privaten Konsum ankurbeln, heißt es in der Herbstprognose der Wirtschaftsorganisation.
Zudem könnten die geringen Zinssätze zu mehr Investitionen führen. Auch die Finanzexperten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim sehen Deutschlands Konjunkturentwicklung positiv.
Nach einem Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent im laufenden Jahr rechnet die OECD für 2014 mit einem Plus von 1,7 Prozent und für 2015 sogar mit einem Wachstum von 2,0 Prozent. „Das Wirtschaftswachstum in Deutschland gewinnt an Fahrt“, sagte OECD-Deutschland-Experte Andrés Fuentes.
Dass die Prognose für 2014 im Frühjahresausblick ursprünglich noch um 0,2 Prozentpunkte höher gelegen hatte, begründete Fuentes vor allem mit den inzwischen ungünstigeren Aussichten für aufstrebende Volkswirtschaften wie Indien und Brasilien. Sie sind für die deutschen Unternehmen wichtige Exportländer außerhalb Europas.
Dies sei ein Risiko - auch für die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. Aktuell rechnen die Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Bundesrepublik mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenquote nach OECD-Standard: Sie könnte von zuletzt 5,5 auf 5,2 Prozent im Jahr 2015 sinken.
Mit Blick auf die deutsche Mindestlohn-Debatte äußerte sich Fuentes eher skeptisch. Die aktuellen Pläne hält er nicht für die optimale Lösung. Wenn man einen Mindestlohn haben wolle, sollte dieser von einer Kommission festgelegt werden, die unabhängig vom politischen Prozess und von den Tarifparteien sei, sagte Fuentes.
Union und SPD hatten sich bei ihren Koalitionsgesprächen zu Beginn der Woche über die Einsetzung einer Mindestlohn-Kommission verständigt, die jährlich die Höhe der Bezüge neu festlegen soll. Sie soll jedoch mit Arbeitgebern und Gewerkschaftsvertretern besetzt werden. In die Diskussion über mögliche Folgen eines Mindestlohns auf die Beschäftigung will sich die OECD unterdessen nicht einmischen.
Die Debatte um Konsequenzen der deutschen Exportstärke für andere EU-Staaten bewertete die OECD als übertrieben. „Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss hat nicht verhindert, dass wir deutliche Fortschritte innerhalb der Europäischen Union und im Euroraum sehen“, meinte der für Europa zuständige Referatsleiter Eckhard Wurzel. Als Beispiel nannte er Verbesserungen im Handelsergebnis von Krisenländern wie Irland, Portugal oder Spanien.
Nach der OECD-Prognose wird der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ohnehin bis 2015 von aktuell etwa 7 auf 5,6 Prozent des BIP sinken. Damit würde der europäische Referenzwert von 6 Prozent eingehalten. Die vertiefte Untersuchung der deutschen Werte durch die EU-Kommission wollte Wurzel nicht als Kritik gewertet sehen.
Das ZEW erwartet derweil ein weiterhin anziehendes Wachstum in Deutschland. Im November erreichte die Stimmung der von ihm befragten Fachleute den besten Wert seit vier Jahren. Die ZEW- Konjunkturerwartungen stiegen im Vergleich zum Vormonat um 1,8 Punkte auf 54,6 Zähler - den höchsten Stand seit Oktober 2009.
Allerdings wird die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft derzeit weniger rosig eingeschätzt. Hier meldete das ZEW den zweiten Rückgang in Folge. Die Kennzahl fiel um einen Punkt auf 28,7 Zähler. Dennoch bewertet ZEW-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der jüngsten Umfrage nach wie vor positiv: „Seit Monaten bewegen sich die Konjunkturerwartungen für Deutschland auf einem hohen Niveau.“
In Deutschland sieht die OECD noch Verbesserungsbedarf, etwa im Finanz- und Dienstleistungssektor. „Sorgen macht uns der hohe Verschuldungsgrad der Großbanken gemessen am Eigenkapital relativ zur Bilanzsumme. Hier glauben wir, dass die Wirtschaftspolitik regulatorisch eingreifen sollte“, sagte Fuentes.
Für die gesamte Eurozone hob die OECD ihre Prognose für das laufende Jahr leicht an. Die Wirtschaftsleistung im Währungsraum werde 2013 wohl um 0,4 Prozent sinken. Im Mai hatten die Experten noch mit einem Minus von 0,6 Prozent gerechnet. 2014 könne ein Wachstum von 1,0, 2015 dann von 1,6 Prozent gelingen. Für die USA und die zweitgrößte Volkswirtschaft China schraubte die OECD die Aussichten für das laufende und das kommende Jahr etwas nach unten.