Öko-Energie profitiert von günstigem Öl
Auf den ersten Blick ist der stark gesunkene Preis eine Katastrophe für das Klima — auf den zweiten aber auch eine große Chance.
Wuppertal. Auf den ersten Blick ist der dramatisch gesunkene Preis eine Katastrophe für das Klima. Auf den zweiten ist er eine Chance, die Weichen richtig zu stellen. Lukas Hermwille (30) ist Experte für Internationale Klimapolitik und Energiepolitik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Wir sprachen mit ihm über die Auswirkungen des geringen Ölpreises auf das Klima und welche Strategien man jetzt ergreifen sollte, die Ziele des Pariser Abkommens für Klimaschutz doch noch zu erreichen.
Herr Hermwille, der Ölpreis fällt und fällt, vor allem private Konsumenten freut das. Für die Umwelt ist das dagegen überhaupt nicht gut, oder?
Lukas Hermwille: Die Frage, ob sich der niedrige Ölpreis negativ auf das Klima auswirkt, muss man differenzieren. Auf der Verbraucher- Seite ist das sicherlich so. Viele Hausbesitzer machen jetzt lieber noch einmal den Öltank voll, als in eine neue Heizungsanlage oder in die energetische Sanierung Ihres Hauses zu investieren. Oder sie entscheiden sich für den Kauf eines verbrauchsintensiven Autos. Auf der anderen Seite investieren aber auch die ölfördernden Unternehmen weniger, beispielsweise werden einige der schwieriger zu erreichenden Ölvorkommen vorerst nicht ausgebeutet. Und das ist natürlich erst mal gut für das Klima.
Als vor gut einem Monat das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet wurde, haben viele das für einen großen Durchbruch gehalten. Gefährdet die Entwicklung auf dem Ölmarkt das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen?
Hermwille: Kurzfristig würde ich das Pariser Abkommen nicht in Gefahr sehen, aber das Abkommen selbst löst das Klimaproblem auch nicht. Es ist ein Schrittmacher für die nationalen Politiken weltweit. Der extrem günstige Ölpreis schafft aber auch Spielräume, zum Beispiel um darüber nachzudenken, eine ökologisch wirksame Steuer auf fossile Energieträger einzuführen. Subventionen abzubauen ist aus meiner Sicht aber noch wichtiger, als Steuern einzuführen. Vor dem Hintergrund, dass mindestens 50 Prozent des Öls im Boden bleiben müssen, um die Klimaziele zu erreichen, kann es nicht sein, das es weltweit immer noch staatliche Subventionen für Unternehmen gibt, um weitere Ölvorkommen zu explorieren.
Ihre Vorschläge dürften auf Widerstand stoßen.
Hermwille: Das Problem ist, das es politisch sehr schwierig ist, aus solchen Subventionen wieder auszusteigen. Man muss Wege finden, dass sozial abzufedern. Im Moment bieten sich da Möglichkeiten, dass schrittweise zu tun, das kann man aber sicherlich nicht von heute auf morgen umsetzen. Auch eine CO2-Steuer auf andere fossile Energieträger wie etwa Kohle bringt eine Menge. Der Emissionshandel innerhalb der EU soll ja genau das erreichen, aber eine Nachwirkung der Wirtschaftskrise ist eben, dass es ein großes Überangebot an Zertifikaten gibt.
Gibt es noch genügen Anreize für Innovationen bei der Entwicklung energieeffizienter Anlagen?
Hermwille: Wenn Großunternehmen sich entscheiden, in Innovationen zu investieren, dann hat das erst in zehn bis 15 Jahren Produktauswirkungen. Und in diesen Planungszeiträumen hat der aktuell niedrige Ölpreis einen sehr geringen Einfluss. Bei den erneuerbaren Energien hat es weltweit sogar einen leichten Anstieg der Investitionen gegeben. Es wäre spekulativ zu sagen, ob sie bei einem höheren Ölpreis noch stärker gestiegen wären, aber global gesehen gab es jedenfalls keinen Rückgang.
Welche Auswirkungen hat das günstige Öl das für die zahlreichen Windparks und Solaranlagen?
Hermwille: Die existierenden Windparks sind nicht gefährdet. Ob neue Anlagen gebaut werden, hängt im Wesentlichen nicht so sehr vom Ölpreis ab, sondern von der politischen Rahmengestaltung. Die starken Preisschwankungen beim Öl sind für erneuerbare Energien sogar gut, weil die Kosten für Windparks und Solaranlagen gut planbar sind. Je größer die Unwägbarkeiten bei den anderen Energiequellen sind, umso mehr spielt das den erneuerbaren Energien in die Karten.
Hat der Preisverfall nicht auch etwas Gutes? Viele Ölunternehmen verzichten im Moment auf besonders kostenintensive Bohrungen, zum Beispiel in der Tiefsee. Auch im bedrohten Ökosystem Arktis sind sie sprichwörtlich auf Eis gelegt.
Hermwille: Das ist eine der positiven Folgen des Ölpreisverfalls. Leider ruhen die Ölbohrungen aber nach dem Rekordjahr 2015, dem wärmsten seit Beginn der Klimaaufzeichnungen, nicht mehr auf ganz so dickem Eis. Aber es ist tatsächlich so, dass viele Investitionen in neue Ölfelder ausbleiben, weil die Unternehmen in Schwierigkeiten geraten sind. In den USA gibt es viele Firmen die sich auf die kostenintensive Gewinnung von Schieferöl spezialisiert haben — die geraten jetzt in Bedrängnis. Ein Ziel der Saudi Arabischen Strategie ist es, diese Konkurrenz aus dem Markt zu drängen, in dem man die Preise so niedrig hält, das es sich für diese Firmen nicht mehr lohnt, Schieferöl zu fördern.
Benzin und Diesel sind so günstig wie schon lange nicht mehr. Wird jetzt der Innovationsdruck auf die Autoindustrie sinken?
Hermwille: In Europa wird die Entwicklung stark von politischen Vorgaben geprägt. Die Entscheidung, etwa, die Entwicklung von Elektromobilität voran zu treiben, hängt vom aktuellen Tagespreis des Öls nur in sehr geringem Umfang ab.
Und wie sieht es auf der Konsumentenseite aus?
Hermwille: Die Motivation der meisten Leute, die ein Elektrofahrzeug gekauft haben, lag ohnehin nur zu einem geringem Teil im Spritpreis begründet. Neben dem ökologischen Bewusstsein zählt hier vor allem das Statusbewusstsein. Und es gibt natürlich auch die Leute, denen es wichtig ist, immer das innovativste Gefährt zu haben. Ich unterstelle mal, dass bei vielen nicht der altruistische Gedanken „Ich will die Umwelt schützen“ hinter einer Kaufentscheidung steht. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele Käufer, die sich jetzt für ein verbrauchsintensiveres Auto entscheiden