Entlastungen für Geringverdiener Ökonomen fordern eine Senkung der Mehrwertsteuer

Forschungsinstitute sehen darin einen Weg, um Geringverdiener gezielt zu entlasten. SPD und Union wollen lieber eine Einkommensteuer-Reform.

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Düsseldorf. Mehrere renommierte Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich bei einer Umfrage dieser Zeitung für eine Senkung der Mehrwertsteuer ausgesprochen, um Geringverdiener gezielt zu entlasten. „Wenn man die unteren und mittleren Einkommen steuerlich deutlich entlasten will, dann muss man eher an die Mehrwertsteuer denken und weniger an die Einkommensteuer“, so Stefan Bach vom DIW in Berlin.

Im Vorfeld der Sondierungsgespräche zur möglichen Bildung einer großen Koalition haben Union und SPD betont, dass sie etwas für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen tun möchten. Allerdings planen sie keine Senkung der Mehrwertsteuer, sondern eine Reform der Einkommensteuer im Volumen von 15 Milliarden Euro pro Jahr.

DIW-Ökonom Bach kritisiert das. Nach seinen Berechnungen würden von dieser Entlastung nur sechs Prozent auf die untere Hälfte der Einkommen entfallen, allein 38 Prozent dagegen auf das oberste Zehntel. Er schlägt stattdessen vor, den Regelsatz bei der Mehrwertsteuer von derzeit 19 auf 18 Prozent zu senken. Das würde die Verbraucher um elf Milliarden Euro entlasten. „Die Mehrwertsteuer belastet den Verbrauch, und die Verbrauchsausgaben machen bei den kleinen Einkommen einen viel höheren Anteil aus als bei den hohen Einkommen“, sagt Bach.

Zusätzlich schlägt er vor, den auf sieben Prozent ermäßigten Satz für Nahrungsmittel und für den öffentlichen Nahverkehr auf fünf Prozent zu senken. Das würde die unteren Einkommen, bei denen die Nahrungsmittel und der Nahverkehr einen relativ großen Ausgabenanteil verursachen, noch weiter entlasten. Dann käme man insgesamt auf jenes Volumen von 15 Milliarden Euro, das auch Union und SPD für machbar hielten.

Laut Roland Döhrn vom RWI in Essen macht die Mehrwertsteuer bei Beziehern niedriger Einkommen einen wesentlichen Teil der gesamten Steuerbelastung aus. „Daher wäre eine Steuersenkung in diesem Bereich ein denkbarer Weg, auch Bezieher mit geringen und mittleren Einkommen zu entlasten“, so Döhrn. Der Experte verweist allerdings darauf, dass die Senkung nur dann beim Verbraucher ankommt, wenn der Handel und das Handwerk die Entlastung an die Kunden weitergeben.

Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hält es für sehr fraglich, dass die Unternehmen eine Senkung der Mehrwertsteuer sofort an die Verbraucher weitergibt. Wie sein Kollege Bach vom DIW geht er aber davon aus, dass der Wettbewerbsdruck hierzulande so groß ist, dass die geringere Mehrwertsteuer mittelfristig tatsächlich beim Verbraucher ankommt.

Dass sich Union und SPD auf diesen Weg verständigen, glaubt Hentze nicht. „Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden.“ Wahrscheinlicher sei eine Reform der Einkommensteuer und ein Auslaufen des Soli.