Oligopol: Große Anbieter geben den Ton an
Der deutsche Tankstellenmarkt wird von fünf Konzernen beherrscht — auch in anderen Branchen gibt es das.
Hamburg. Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so sehr wie die Spritpreise. Und jetzt sieht auch noch das Bundeskartellamt den Verdacht erhärtet, dass der Tankstellenmarkt von einem Oligopol dominiert wird. Aral, Shell, Esso, Jet und Total verkaufen 70 Prozent des Benzins in Deutschland. Die Wettbewerbshüter haben Sorge, dass die Konzerne ihre Marktstellung missbrauchen könnten. Am Donnerstag legt das Kartellamt seinen Bericht offiziell vor.
Die Aufregung bei Politik und Automobilclubs ist groß, doch der Benzinmarkt nimmt keine Sonderstellung ein. Bei vielen Gütern des täglichen Bedarfs dominieren große Konzerne. Im Lebensmittel-Einzelhandel haben die größten fünf Konzerne mehr als 70 Prozent Marktanteil, beim Kaffee sind es mehr als 80 Prozent. Drei Zigarettenhersteller teilen sich 80 Prozent des deutschen Marktes.
Die Märkte für Strom und Mobilfunk sind ebenso von einem Oligopol geprägt wie bei den Dienstleistungen der Markt für Autovermietungen. Das Oligopol ist nicht die Ausnahme, sondern fast die Regel in entwickelten Volkswirtschaften. „Oligopole bilden sich bei austauschbaren Gütern und Dienstleistungen“, sagt Sebastian Schröer vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Das Benzin von Esso ist nicht viel anders als das von Shell, bei Rewe kann man ebenso einkaufen wie bei Edeka und die Mietwagen von Sixt und Europcar unterscheiden sich ebenfalls kaum. „Damit wird der Preis entscheidend und Größe für Firmen zu einem zentralen Ziel“, sagt Schröer.
Folglich bemühen sich die Unternehmen, Konkurrenten aufzukaufen und ihre Geschäfte auszuweiten. Ob sie erfolgreich sind, entscheidet letztlich der Verbraucher. Und er hat von großen Firmen keineswegs nur Nachteile: Sie sind oft effizienter, sie können günstiger einkaufen, ihre Logistik optimieren und über Marketing und Service beim Kunden zusätzliches Vertrauen schaffen. Raucher etwa halten ihrer Zigarettenmarke über Jahre die Treue — die Hersteller erzielen auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten Traumrenditen.
Kein Autofahrer ist gezwungen, bei Aral oder Shell zu tanken; dennoch erreichen diese beiden Unternehmen zusammen mehr als 40 Prozent Marktanteil. Ein Erklärungsversuch lautet, dass viele Markentankstellen einfach verkehrsgünstiger liegen als freie Tankstellen.
Ein ungelöstes Rätsel ist für die Ökonomen jedoch, warum die Verbraucher in einigen Märkten flexibel sind, in anderen dagegen nicht. So wechseln die Kunden bei Mobilfunkverträgen leichten Herzens ihren Anbieter. Bei Strom dagegen ist die Wechselfreude gering, obwohl es Alternativen gibt und sich Geld sparen lässt. Es könnte daran liegen, so mutmaßen die Wissenschaftler, dass die Stromrechnung nur einmal im Jahr ins Haus kommt.