Ratingagenturen: Die Krisenverstärker
Die EU will die Macht der Branche mit Verboten und mehr Kontrolle deutlich einschränken.
Brüssel. Ratingagenturen stehen in der Schuldenkrise als Brandbeschleuniger am Pranger. Der Patzer von Standard & Poor’s bei der angeblichen Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs ist Wasser auf die Mühlen der Politik, die den Agenturen einen Maulkorb verpassen will.
„Das stärkt meine Überzeugung, dass Europa schärfere Regeln braucht“, sagt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.
Der Franzose präsentiert morgen Reformideen, die das Geschäft mit der Benotung von Finanzprodukten, Unternehmen und Staaten aufmischen könnten. Schon jetzt laufen die Marktführer — Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch — Sturm gegen die Pläne. Eine „Katastrophe“ sei die Reform, hieß es aus den Häusern.
Nach einem Entwurf will Brüssel den Ratingagenturen notfalls verbieten, Urteile über kriselnde Euro-Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal zu veröffentlichen. Dahinter steckt der Vorwurf, dass die Bonitätswächter die Lage einzelner Länder falsch bewerten und mit ihren Urteilen die Krise verschärfen.
Herabstufungen der Kreditwürdigkeit von Staaten sorgen regelmäßig für Unruhe an den Märkten. Es ist ein Teufelskreis: Sinkt das Rating, wird es für ein Land teurer, sich Geld zu leihen — was wiederum aufs Rating drückt. „Das Thermometer muss richtig funktionieren, um nicht mehr Fieber anzuzeigen, als es tatsächlich gibt“, betont Barnier.
Damit die Ratings vergleichbarer werden, will Brüssel der EU-Wertpapieraufsicht eine Kontrolle über die Methodologie der Ratings geben. Für fehlerhafte Benotungen sollen Ratingagenturen zudem erstmals haften.
Allerdings ist noch keineswegs sicher, dass es so weit kommt. Den Reformen müssen die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen. Dies dürfte nicht vor Ende 2012 der Fall sein. Zudem gibt es rechtliche Bedenken gegen die Reformpläne.