Reisebranche: Mit gedrosseltem Tempo zu weiterem Rekord
Berlin (dpa) - Die deutsche Reisebranche nimmt von diesem Mittwoch an auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin Kurs auf Rekorde.
Das Wachstum werde sich wegen unsicherer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zwar verlangsamen, ein weiteres Umsatzplus von ein bis zwei Prozent sei in der neuen Saison aber möglich, sagte Michael Frenzel, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) am Dienstag. Sollte die Konjunkturschwäche zu mehr Arbeitslosen führen, werde das auch die Reiseindustrie treffen. Frenzel betonte aber: „Die Reiselust ist weiterhin vorhanden.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Deutschen bei der Eröffnung am Abend auf, auch im eigenen Land Urlaub zu machen. Deutschland sei auch gastfreundlich. Merkel würdigte die Messe mit ihren Ausstellern aus mehr als 180 Ländern. „In 80 Tagen um die Welt ist passé. In 80 Minuten auf der ITB kann man das auch schaffen“, sagte Merkel. Partnerland in diesem Jahr ist Indonesien.
Die Messe steht zunächst Fachbesuchern offen. Privatbesucher sind am Samstag und Sonntag zugelassen und können dann an den Ständen erstmals auch Reisen buchen. Rund 170 000 Besucher werden erwartet, darunter 110 000 Fachleute. Die Ausstellerzahl ist wieder gesunken: von 10 644 im Vorjahr auf 10 086. Die Nachfrage war nach Worten von Messe-Geschäftsführer Christian Göke dennoch so stark wie nie, und die Stände seien größer. „Das Gelände ist proppevoll.“
Schwerpunkte bilden in diesem Jahr zielgruppengenaue Angebote wie etwa für Schwule und Lesben, der umwelt- und sozialverträgliche Tourismus sowie Städtereisen, die zuletzt besonders in Deutschland deutlich zulegten. Das liebste Reiseziel der Deutschen bleibt laut Deutschem Reiseverband (DRV) Deutschland. Bei Auslandreisen locken vor allem die Strände des Mittelmeers, allen voran Spanien.
Optimistisch zeigten sich im Vorfeld vor allem die Reisebüros und Veranstalter. Nach einem Umsatzplus von 5,5 Prozent auf die Rekordsumme von 24,4 Milliarden Euro im Vorjahr (31. Oktober), rechnet der Deutsche Reiseverband (DRV) mit einem Zuwachs von drei bis vier Prozent. „Die deutliche Mehrheit der Deutschen sitzt auf gepackten Koffern“, sagte Verbandschef Jürgen Büchy. Das Konzept Pauschalreise habe überlebt.
Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens GfK wollen die Deutschen in diesem Jahr vier bis sechs Prozent mehr für ihren Sommerurlaub ausgeben. Weltweit wächst der Tourismus. Die Welttourismusorganisation zählte 2012 rund 1,035 Milliarden Gästeankünfte, ein Plus von 3,8 Prozent. Für 2013 wird wieder ein Plus von drei bis vier Prozent erwartet, für Europa von zwei bis drei Prozent.
Der größte deutsche Reiseveranstalter Tui liegt nach eigenen Angaben beim Umsatz der Sommerbuchungen drei Prozent über dem Vorjahr. Tui-Deutschland-Chef Christian Clemens sagte, besonders gut liefen die Balearen, besonders Mallorca mit einem Buchungsplus von acht Prozent.
BTW-Präsident Frenzel, der Tui bis vor wenigen Wochen führte, forderte, die Branche von der Luftverkehrssteuer und Bettensteuern zu entlasten. „Dieser Unsinn muss aufhören“, sagte er über die Bettensteuer-Abgabe mehrerer Städte.
Messegesellschaft und Reiseverband bemühten sich am Dienstag nach dem offenen Streit um die Erlaubnis für Reisebuchungen an den Ständen um versöhnliche Töne. Der DRV befürchtet, dass die Anbieter mit Messerabatten den Berliner und Brandenburger Reisebüros Kunden abjagen. „Das Thema wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, sagte Göke. Er und Büchy kündigten an, die Neuerung nach der Messe gemeinsam auszuwerten. Der Reiseverband werde sich jedenfalls nicht von der ITB zurückziehen, stellte Büchy klar.