Rekordpreise: Hightech-Kunststoffe extrem gefragt

Leverkusen (dpa) - Die Rechnung ist einfach: Je leichter ein Auto, desto weniger Kraftstoffverbrauch, desto geringer der Kohlendioxidausstoß. „Der Trend geht also zu leichteren Automobilteilen“, sagt Daniel Smith, Sprecher des Spezialchemiekonzerns Lanxess.

Die werden aus speziellen Kunststoffen gebaut - und die Nachfrage danach steigt und steigt. „Vereinzelt kommt es schon zu Verzögerungen bei der Auslieferung wegen dieser starken Nachfrage.“ In Indien, Nordamerika und China werden deshalb die Produktionskapazitäten ausgebaut.

Die heimlichen Stars der Branche heißen beispielsweise „Ultramid“, „Ultradur“, „Ultraform“, „Ultrason“ oder „Durethan“. Rund ein Fünftel an Gewicht könne bei Autos mit einer Verbindung aus Metall und Hightech-Kunststoff eingespart werden, schreibt der Lanxess-Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann in einer Marktanalyse. In über siebzig Serienfahrzeugen sei diese Technologie bereits eingebaut.

Die speziellen Hightech-Kunststoffe stecken aber nicht nur in Autoteilen - auch in Waschmaschinen, Lampen, Schaltern, Massagegeräten, Fensterrahmen, Sportgeräten und vielen anderen Dingen des alltäglichen Lebens. Seit Ende 2009 gebe es ein „sehr dynamisches Wachstum“ bei der Nachfrage, heißt es beim Chemiekonzern BASF. Grund sei vor allem der wirtschaftliche Aufschwung in der Automobil- und Elektroindustrie. „Ultraform“ sei bereits nur noch eingeschränkt verfügbar. „Die Anlagen arbeiten auf hoher Auslastung“, meldet auch die Kunststoffsparte von Bayer. „Im Großen und Ganzen ist die Belieferung gewährleistet, vereinzelt gibt es aber Engpässe“, sagt Bayer MaterialScience-Sprecher Frank Rothbarth.

Mindestens genauso dynamisch wie die Nachfrage steigt der Preis - neben den Knappheiten eine weitere Sorge für die verarbeitende Industrie. „Die Preisentwicklung ist gravierend“, sagt Michael Rathje, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Kunststoffverarbeitenden Industrie (GKV). Alleine Lanxess hat in den ersten drei Monaten 2011 fünf Mal Preiserhöhungen angekündigt - für verschiedene Produkte. Im vergangenen Jahr drehte der Feinchemiespezialist rund ein Dutzend Mal an der Preisschraube.

„In den letzten Monaten und Wochen ging es steil nach oben“, resümiert Rathje. Der Rekordpreis von 2008 sei schon übertroffen. Bedenklich sind nach seiner Einschätzung auch die häufig kurzfristigen Schwankungen, weil die Verträge zwischen Verarbeitern und Kunden nicht so einfach angepasst werden könnten.

„Die Verarbeiter haben in der Vergangenheit von den niedrigen Preisen profitiert - 2009 waren die Preise extrem im Keller. Jetzt leiden sie natürlich unter den hohen“, sagt Michael Herrmann, Sprecher des Verbands der Kunststofferzeuger PlasticsEurope. „Aber dieses Hoch und Runter will doch keiner - wir wollen ein vernünftiges Preisniveau.“

Aber auch die Erzeuger sind nicht nur froh über die hohen Preise - schließlich müssen sie die Rohstoffe wie Erdöl selbst teuer einkaufen. „Das drückt auf die Margen“, sagt Bayer-Sprecher Rothbarth.

Doch höhere Margen oder ein vernünftiges Preisniveau sind nicht in Sicht. Verunsicherung macht sich breit in der Branche. „Wir befürchten, dass die Preise weiter steigen“, sagt GKV-Hauptgeschäftsführer Rathje. Wie hoch sie klettern, das vermag niemand zu orakeln, sagt Herrmann. „Wir wüssten auch gerne, was in vier Wochen die Kunststoffe kosten.“ Falls die Nachfrage weiter anzieht, könnte sich die Liefersituation beim Kunststoff „Ultraform„ verschärfen, warnt die BASF-Sprecherin.

Alles sieht danach aus, denn die Zeichen stehen auf Wachstum. Bayer arbeitet an Investitionsprogrammen und Lanxess hat 2011 gar zum „Jahr der Hightech-Kunststoffe“ erklärt.