Revolution in den Wolken: Boeings „Dreamliner“

Everett (dpa) - Der „Dreamliner“ von Boeing hat lange auf sich warten lassen, nun soll der hypermoderne Langstrecken-Jet das Reisen über den Wolken revolutionieren: Die Passagiere dürfen sich auf größere Fenster, weniger trockene Luft, angenehmeren Kabinendruck und geräumigere Gepäckfächer freuen.

Kopfschmerzen, Müdigkeit und ein trockener Mund sollen der Vergangenheit angehören. Den Fluggesellschaften wiederum verspricht Boeing eine hohe Reichweite und einen reduzierten Spritverbrauch.

Möglich macht all das eine neuartige Konstruktion aus leichten und stabilen Karbonfasern statt dem üblichen Aluminium. Allerdings sorgte der im Flugzeugbau wenig erprobten Werkstoff zusammen mit Managementfehlern auch dafür, dass der „Dreamliner“ mehr als drei Jahre hinter seinem Zeitplan zurückliegt. Am Montag durfte die japanische All Nippon Airways (ANA) die erste Maschine in Empfang nehmen. Der europäische Flugzeugbauer Airbus will sein Konkurrenzmodell A350 ab Ende 2013 ausliefern.

Der „Dreamliner“ werde die Luftfahrt verändern, sagte Boeing-Chef Jim McNerney auf dem Werksgelände in Everett (US-Bundesstaat Washington). Dort nahm ANA-Chef Shinichiro Ito bei strömendem Regen die Maschine in Empfang. Bereits am Vortag hatten die beiden Seiten das Geschäft mit der Unterzeichnung der Papiere endgültig festgezurrt. „Ein Traum ist wahrgeworden“, sagte Shinichiro Ito in Anspielung auf den Namen des Fliegers. „Dreamliner“ heißt frei übersetzt „Traumflieger“.

Boeings Verkehrsflugzeug-Chef Jim Albaugh räumte rückblickend aber auch ein: „Die Reise ist nicht immer glatt verlaufen.“ Das neuartige Kunststoff-Material sorgte von Beginn an für Ärger, weil die Ingenieure die Technik erst erlernen mussten. Hinzu kamen Probleme mit Zulieferern, an die Boeing große Teile der Arbeiten ausgelagert hatte. Der US-Hersteller musste den Zeitplan mehrfach über den Haufen werfen und verspielte damit viel Vertrauen bei seinen Kunden.

Boeings Erstkunde kommt nun nicht von ungefähr aus Asien - dort wächst das Flugaufkommen besonders stark. An diesem Dienstag sollte die Maschine Richtung Japan starten. Dort beginnt sie ihren Liniendienst im November. ANA wird den „Dreamliner“ ab Januar auch auf langen internationalen Strecken einsetzen - zuerst von Tokio nach Frankfurt.

Eigentlich hätte der erste „Dreamliner“ schon im Mai 2008 ausgeliefert werden sollen. Mit dem Jet wollten die Amerikaner den europäischen Rivalen Airbus ausbooten. Durch die beispiellose Pannenserie schmolz der Vorsprung gegenüber dem A350 jedoch zusammen.

Der „Dreamliner“ ist eine Art Gegenentwurf zu Riesenfliegern wie dem Airbus A380 oder dem Boeing 747 „Jumbo-Jet“. Das Modell kann auf den gleichen langen Strecken fliegen, rentiert sich aber schon bei wesentlich weniger Passagieren. Der „Dreamliner“ nimmt je nach Version 210 bis 290 Passagiere auf und kann diese mehr als 15 000 Kilometer weit ans Ziel bringen. Dabei verbraucht er laut Hersteller 20 Prozent weniger Kerosin als bisherige Typen.

Angesichts der milliardenschweren Mehrkosten durch die Verzögerungen ist aber unklar, wann und ob sich der „Dreamliner“ für Boeing rechnet. Viele Kunden sind schon abgesprungen und diejenigen, die ihre Bestellungen aufrechterhalten haben, müssen immer noch teils Jahre warten, weil die Produktion erst hochlaufen muss. So rechnet Air Berlin damit, die ersten ihrer „Dreamliner“ im Herbst 2014 zu bekommen. Die Airline hat 15 der Maschinen fest bestellt.

Ursprünglich hatte Boeing fast 1000 Bestellungen eingesammelt, geblieben sind 821. Damit ist der „Dreamliner“ aber immer noch eines der beliebtesten Flugzeuge überhaupt. Der einzelne Jet kostet laut Liste je nach Version zwischen 185 und 218 Millionen Dollar (137 bis 162 Mio Euro), etwaige Sonderwünsche noch nicht mit eingerechnet. So stattet All Nippon Airways die Toiletten mit den in Japan beliebten Bidets aus.

Für Boeing ist der Erfolg des „Dreamliner“ in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen muss der Konzern die Milliardenkosten wieder hereinholen, zum anderen braucht er dringend einen Erfolg gegen Airbus. Bei den kleineren Kurz- und Mittelstreckenfliegern rollen die Europäer gerade mit ihrem runderneuerten A320neo den Markt auf und lassen Boeing alt aussehen. Bei den Großraumfliegern wildert der doppelstöckige A380 im Revier des Veteranen „Jumbo“.

Einen besonders schwere Schmach musste Boeing in der vergangenen Woche einstecken: Die Frachtfluggesellschaft Cargolux ließ die Übergabe des ersten modernisierten und vergrößerten „Jumbo-Jets“ 747-8 in letzter Minute platzen. In der Branche wird spekuliert, dass die Maschine mehr Sprit verbraucht als versprochen oder dass Cargolux schlicht um den Preis feilscht.