Richter schlägt Vergleich im Prozess gegen Hypo Real Estate vor
München (dpa) - Auf den Bund kommen neue Probleme mit der verstaatlichten Immobilienbank Hypo Real Estate zu. Im milliardenschweren Prozess um Schadenersatz empfahl der Richter der Bank einen Vergleich.
Das könnte für den Steuerzahler teuer werden.
Im Musterprozess um eine Entschädigung für Kursverluste vor dem Oberlandesgericht München legte der Vorsitzende Richter Guido Kotschy dem Unternehmen einen Vergleich mit den Aktionären nahe. „Die Fakten sprechen eine starke Sprache“, sagte er am Freitag.
Nach Einschätzung des Gerichts wusste das Unternehmen bereits im November 2007 von Belastungen aus der US-Finanzkrise, informierte die Anleger aber erst im Januar 2008 darüber. „Es stellt sich die Frage, ob nicht hier schon eine Ad Hoc (Mitteilung) hätte erfolgen müssen.“
Kotschy empfahl der Hypo Real Estate einen „beherzten Schritt“ nach vorn. „Wir sind der Auffassung, dass es hilfreich wäre.“ Beide Seiten haben nun bis Mitte März Zeit für Stellungnahmen. Danach soll der Prozess im Mai fortgesetzt werden. Da die Bank seit der Notverstaatlichung im Jahr 2009 im Staatsbesitz ist, würde der Schadenersatz letztlich die Steuerzahler in Deutschland belasten. Ein Sprecher des Unternehmens äußerte sich nicht dazu.
Insgesamt fordern die Kläger in dem Prozess rund 1,1 Milliarden Euro Entschädigung. Allerdings dürften nur die Anleger von Schadenersatz profitieren, die ihre Aktien im fraglichen Zeitraum zwischen November 2007 und Mitte Januar 2008 gekauft hatten.
Nach Einschätzung von Klägeranwalt Andreas Tilp wäre dies aber ein beachtlicher Teil. Er geht von Forderungen in Höhe von mindestens 300 Millionen Euro aus. Da der Musterprozess auch für andere Verfahren von Bedeutung ist, könnten sich aber auch andere ehemalige Aktionäre Hoffnungen machen.
In dem Prozess ging es auch um die Frage, ob das Management die Lage der Bank bereits im Sommer 2007 verschleiert hat. Dafür sieht Richter Kotschy nach ersten Zeugenvernehmungen aber keine Hinweise. Am Freitag versicherte der ehemalige HRE-Vorstand Robert Grassinger, dass das Management damals keine Hinweise auf eine tickende Zeitbombe im Unternehmen gehabt habe. Der Kauf des irischen Staatsfinanzierers Depfa im Jahr 2007 sei vielmehr als positiver Schritt angesehen worden. „Größe an sich war zum damaligen Zeitpunkt ein positives Merkmal“, sagte der Zeuge.
Im Herbst 2008 wurde die Depfa aber zum Verhängnis für die Hypo Real Estate, weil sie Geld langfristig verliehen und sich extrem kurzfristig refinanziert hatte. Nach der Lehman-Pleite funktionierte dieses Modell nicht mehr und es fehlten plötzlich 35 Milliarden Euro. Die HRE wurde mit Steuermilliarden vor dem Bankrott gerettet und später verstaatlicht.
Etliche Aktionäre verloren ein Vermögen mit ihren Aktien, die damals im Dax notiert waren. Als die HRE am 15. Januar 2008 in einer Mitteilung ihre Belastungen einräumte, verloren sie innerhalb von Stunden mehr als ein Drittel ihres Werts und fielen in den Monaten darauf ins Bodenlose.
In dem Musterprozess geht es vor allem um die Frage, wann das damalige Management von der Notlage der Hypo Real Estate gewusst hat. Auf die Aussage des früheren Chefs Georg Funke mussten die Richter verzichten: Er hatte seinen Auftritt vor Gericht am Donnerstag kurzfristig abgesagt.