Richter wirft Hypo Real Estate mangelnde Kooperation vor
München (dpa) — Harsche Töne im Gericht: Im milliardenschweren Musterprozess um Schadenersatz von der Hypo Real Estate hat der Vorsitzende Richter Guido Kotschy die verstaatlichte Immobilienbank scharf kritisiert.
In einem Rundumschlag warf er dem Institut am Montag vor dem Oberlandesgericht München mangelnde Kooperation im Prozess vor, zweifelte an den Grundsätzen ordentlicher Buchführung im Jahr 2007 und forderte die Bank zur Herausgabe fehlender Dokumente auf. Das Gericht werde nicht locker lassen, bis alle geforderten Zahlen auf dem Tisch lägen. „Jetzt geht’s ans Eingemachte.“
In dem Prozess werfen ehemalige Aktionäre dem Unternehmen vor, viel zu spät auf die Belastungen durch die Finanzkrise im Jahr 2007 hingewiesen zu haben. Sie fordern eine Entschädigung für die massiven Kursverluste ihrer Aktien, die früher im deutschen Leitindex Dax notiert waren. Das Gericht hat die Flut der Klagen in einem Musterprozess gebündelt, um zentrale Fragen der Beweisaufnahme damit für alle Verfahren klären zu können.
Vor einer Entscheidung will der Richter aber erst Einblick in alle geforderten Dokumente der HRE haben. Unter anderem habe das Gericht mehrfach nach dem Protokoll einer Vorstandssitzung vom August 2007 gefragt. „Da haben sie uns schon zweimal einen Korb gegeben.“ Auch eine Dokumentation über bilanzielle Rücklagen aus dem Jahr fehle immer noch. „Wir können uns schwer vorstellen, dass keine vorhanden ist.“ Notfalls werde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Wir werden nicht locker lassen.“ Ein Anwalt der Hypo Real Estate versicherte, die Bank bemühe sich um Kooperation. Da die damaligen Mitarbeiter aber nicht mehr im Unternehmen arbeiteten, sei es schwierig, alle Dokumente zu beschaffen.
Insgesamt fordern die Kläger in dem Prozess rund 1,1 Milliarden Euro Entschädigung. Allerdings dürften nur die Anleger von Schadenersatz profitieren, die ihre Aktien im Zeitraum zwischen November 2007 und Mitte Januar 2008 gekauft hatten. Kotschy stellte klar, dass die möglichen Forderungen am 15. Januar 2008 enden. An diesem Tag hatte die HRE in einer Pflichtmitteilung auf ihre Belastungen aus der Finanzkrise hingewiesen und damit einen Kursrutsch ausgelöst, durch den viele Aktionäre ein Vermögen verloren. Diese Ad-Hoc-Mitteilung stelle eine Zäsur dar. „Wir werden nicht darüber hinaus gehen.“ Dadurch würde die geforderte Summe deutlich zusammenschrumpfen. Klägeranwalt Andreas Tilp geht aber immer noch von einer Summe von mehr als 600 Millionen Euro aus.
Für die Börse kam die Mitteilung im Januar 2008 völlig unvermittelt, da HRE-Chef Georg Funke die Bank kurz zuvor noch als Krisengewinner dargestellt hatte. Kotschy betonte, die HRE wäre verpflichtet gewesen, diese irreführende Information spätestens im November zu korrigieren: Bis die Öffentlichkeit dann tatsächlich informiert wurde, hätte das Management Insiderinformationen über den Zustand der Bank gehabt. Der Richter hatte der HRE bereits im Februar einen Vergleich nahelegt, weil die Fakten aus seiner Sicht eine klare Sprache sprechen. Dazu äußerte sich die Bank vor Gericht aber zunächst nicht.
Die HRE war im Herbst 2008 in eine Existenzkrise geraten und musste mit Milliardenhilfen aufgefangen werden. Ein Jahr danach wurde die Bank zwangsverstaatlicht und gehört bis heute dem Bund. Für den Schadenersatz an die ehemaligen Aktionäre müssten somit letztlich die Steuerzahler aufkommen.