Verkehr Riesen-Lkw bald auch auf NRW-Straßen?

FDP fordert, dass die Landesregierung die Gigaliner zulässt und macht die 25,25 Meter langen Vehikel zum Thema im Landtag.

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Düsseldorf. „Effizienzgewinne, Kraftstoffersparnisse und positive Umweltauswirkungen — Lang-Lkw auf geeigneten Strecken auch in Nordrhein-Westfalen zulassen“ — so lautet der Antrag, den die FDP heute in den Düsseldorfer Landtag einbringt. Die Landesregierung solle es möglich machen, dass die Lang-Lkw im Regelbetrieb auf NRW-Straßen rollen.

Lang-Lkw, auch Gigaliner genannt, dürfen eine maximale Länge von 25,25 Metern haben. Sie sind deutlich länger als Sattelkraftfahrzeuge (maximal 16,50 Meter) und Lastzüge, also Lkw mit Anhänger (maximal 18,75 Meter).

Von 2012 bis 2016 gab es einen Feldversuch, an dem 60 Unternehmen mit 161 Lang-Lkw in 13 Bundesländern teilnahmen. In NRW, wo der bundesweite Feldversuch von Rot-Grün im Koalitionsvertrag von 2012 abgelehnt worden war, durften nur bis zu 17,80 Meter lange Sattelauflieger fahren, nicht aber Gigaliner.

Im vergangenen Dezember veröffentlichte die Bundesanstalt für Straßenwesen ihren Abschlussbericht zu dem Feldversuch. Auch wenn die Experten in ihrem 172-Seiten-Report noch eine Reihe offener Fragen ausmachten — etwa mit Blick auf Parkprobleme oder Risiken bei Überholmanövern — fasste Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das Ergebnis aus seiner Sicht so zusammen: „Der Lang-Lkw ist praxistauglich. Er ist sicher, spart Sprit und führt weder zu Verlagerung von Verkehren auf die Straße noch zu einer stärkeren Belastung unserer Infrastruktur. Zwei Lang-Lkw ersetzen drei herkömmliche Lkw.“ Weniger Fahrzeuge, so Dobrindt, bedeuteten weniger Emissionen. Das sei gut für die Umwelt und gut für den Logistikstandort Deutschland.

Der Minister ordnete daraufhin an, dass Lang-Lkw ab Anfang 2017 „im streckenbezogenen Regelbetrieb“ fahren können. Dafür melden die teilnehmenden Bundesländer geeignete Straßen. Zurzeit hat das schon im Feldversuch genutzte Positivnetz eine Länge von fast 11 600 Kilometern.

Vor diesem Hintergrund fordert die FDP-Fraktion im Landtag, dass die Landesregierung „als 14. Bundesland den Einsatz von Lang-Lkw ermöglichen“ solle. Und spricht dabei auch für die Spitzenverbände der Wirtschaft. Diese argumentieren, der Lang-Lkw habe „seine ökonomischen und ökologischen Vorteile eindrucksvoll unter Beweis gestellt“. Er sei eine wichtige Antwort auf die Herausforderungen des Güterverkehrs, indem er helfe, „das prognostizierte Verkehrswachstum auf der Straße zu bewältigen und Logistikprozesse nachhaltiger zu gestalten“. Aus Sicht der Verbände sollten die Bundesländer das Streckennetz weiter ausbauen, damit der Lang-Lkw seine Vorteile voll entfalten könne.

Trotz größeren Ladevolumens, so argumentieren die Wirtschaftsverbände, seien Lang-Lkw nicht schwerer als normale Lkw, denn das zulässige Gesamtgewicht bleibe unverändert. Lang-Lkw böten aufgrund der vorgeschriebenen technischen Ausstattung wie Abstandstempomat oder Spurhalteassistent hohe Sicherheit. Darüber hinaus schonten sie die Straßen und Brücken, weil sie ihr Gewicht auf mehr Achsen verteilen.

So positiv sehen das aber längst nicht alle. Die „Allianz pro Schiene“, ein Bündnis für mehr Schienenverkehr, argumentiert, dass durch die Verbilligung des Lkw-Verkehrs durch Lang-Lkw ein Anreiz für mehr Straßengüterverkehr geschaffen werde. Durch den Kostenvorteil der Gigaliner würden Güter von umweltfreundlichen Verkehrsträgern auf die Straße verlagert. Das Ergebnis wären mehr Lkw-Fahrten und eine größere Umweltbelastung. Der umweltfreundliche Schienengüterverkehr werde geschädigt.

Auch seien Lang-Lkw teuer für die Steuerzahler, weil größere Lkw die bereits marode Infrastruktur überproportional schädigten. Für die Anpassung von Tunneln und Parkbuchten an die größeren Fahrzeuge werde der Steuerzahler zusätzlich zur Kasse gebeten. Denn die Nothaltebuchten in Tunneln seien zu kurz. Mache ein Gigaliner Nothalt, so ragten noch knapp zwei Meter des Fahrzeugs in den Verkehrsraum hinein — mehr als die Hälfte einer Fahrbahn. Auch die Parkplätze an Rastanlagen seien zu klein. Die Standardlänge eines Lkw-Parkplatzes beträgt 22 Meter, Gigaliner sind gut drei Meter länger.

Gigaliner seien überdies ein Sicherheitsrisiko. Gerate — etwa in Tunneln — die Ladung in Brand, so sei aufgrund des größeren Volumens von schnellerer Brandentwicklung und höherer Brandstärke auszugehen. Die Sicherheit an Bahnübergängen sei durch die langen Fahrzeuge gefährdet.

Schließlich, so die Warnung, gebe es auch für andere Verkehrsteilnehmer neue Risiken. Die genehmigten Strecken, auf denen die Gigaliner fahren dürfen, bestünden eben nicht nur aus Autobahnen, sie kämen auch auf kleineren Straßen zum Einsatz. Für Radfahrer und Fußgänger könne es etwa in Kreisverkehren zu gefährlichen Situationen kommen. Die überlangen Lkw überragten sowohl die Fußgängerübergänge als auch die Ein- und Ausfahrten. Zudem machten sie aufgrund ihrer Größe die Verkehrssituation unübersichtlich.

Auf Landstraßen könne das Überholen der Gigaliner kritisch werden. Bei den 25,25 Meter langen Lkw erhöhe sich die Überholzeit und damit das Sicherheitsrisiko. Die meisten Autofahrer könnten die Zeit, die sie für den Überholvorgang benötigen, aufgrund mangelnder Erfahrung gar nicht einschätzen.

Ein Sprecher des SPD-geführten NRW-Verkehrsministeriums konnte im Vorfeld der Debatte im Landtag noch nichts über den laufenden Abstimmungsprozess innerhalb der Landesregierung sagen. Bislang lief die Argumentation der Landesregierung, die nur Lkw bis zu 17,80 Meter Länge erlaubt hatte, so: Der Versuch mit den „echten Gigalinern“ widerspreche den verkehrs- und umweltpolitischen Zielen der Landesregierung einer verstärkten Nutzung des Schienen- und Wasserstraßennetzes für den Gütertransport. Neben dieser verkehrspolitischen Zielsetzung ging es bei der Skepsis auch um Fragen der Verkehrssicherheit: längere Überholwege und Räumzeiten auf Kreuzungen, fehlende Parkplätze und Nothaltebuchten in dieser Größe, gefährlichere Brandlasten.

Nach dem Bericht zu dem Feldversuch hatte man von NRW-Seite zu bedenken gegeben, dass die Ergebnisse auch hinsichtlich landesspezifischer Fragen ausgewertet werden müssten. Zum Beispiel hinsichtlich der Frage, ob die Ergebnisse auf NRW mit seinem engmaschigen Autobahnnetz und den vielen dicht aufeinanderfolgenden Auf- und Abfahrten übertragbar seien.