Nach Milliardenstrafe Schadensersatzklage: Spediteure wollen Geld von „Lkw-Kartell“
2016 hat die EU-Kommission Daimler und Co. eine Milliardenstrafe verpasst, jetzt wollen die Kunden Schadensersatz von den Herstellern.
Düsseldorf/Brüssel. Den Lkw-Herstellern Daimler, Volvo, MAN, Iveco und DAF steht eine Schadensersatzklage ins Haus, die die Milliarden-Euro-Grenze übersteigen könnte: Es geht um überhöhte Preise für mehr als 100.000 Lkw über sechs Tonnen, die die fünf Hersteller sowie Scania zwischen 1997 und 2011 allein an ihre deutschen Kunden verkauft haben — wahrscheinlich zu überhöhten Preisen.
2016 hatte die EU-Kommission gegen die fünf Hersteller eine Kartellstrafe von 2,93 Milliarden Euro verhängt, weil die Hersteller sich über 14 Jahre hinweg bei den Verkaufspreisen für Lkw abgesprochen hatten. Straffrei blieb Hersteller MAN (VW-Konzern), weil von dort der entscheidende Hinweis gekommen war. Weitere Ermittlungen laufen gegen Scania, die fünf anderen zeigten sich gegenüber der EU-Kommission grundsätzlich geständig.
Jetzt bläst der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), in dem rund 7000 deutsche Unternehmen organisiert sind, zum Angriff auf die Kassen der Automobilhersteller und will für seine Mitglieder das Geld zurückholen, das sie in den vergangenen Jahren zuviel für ihre Lastkraftwagen bezahlt haben.
Dazu startete der BGL in dieser Woche eine bundesweite Reihe von insgesamt 19 Informationsveranstaltungen, so am Mittwoch in Düsseldorf im Autohof der Straßenverkehrsgenossenschaft (SVG) an der A 46. Das Modell: Für ein gemeinsames Vorgehen gegen das Lkw-Kartell will der Verband mehr als 100 000 Lkw-Fälle (Verkauf oder Leasing) bündeln. Die Käufer (oder früheren Leasingkunden) treten die Forderungen an eine Art Inkasso-Unternehmen ab, die mittels starker juristischer Vertretung und sicherer Finanzierung die Forderungen auf dem Klageweg eintreibt — für die teilnehmenden Transportunternehmen und Speditionen ohne Teilnahmegebühren und ohne Prozesskostenrisiken.
Den juristischen Part übernimmt die internationale Wirtschaftskanzlei Hausfeld, die auch die geschädigten europäischen Diesel-Kunden gegen Volkswagen vertritt. Seit 2016 ist Hausfeld in Berlin vertreten. Alex Petrasincu, der Hausfeld demnächst in Düsseldorf vertritt, erläuterte vor Spediteuren am Mittwoch das mögliche Vorgehen und die Verteidigung der Kartell-Teilnehmer: „Die werden behaupten, dass Ihnen als Kunden gar kein Schaden entstanden ist. Und falls doch, dass Sie ihn an ihre Kunden weitergegeben haben.“
Zumindest war das die bisherige Reaktion des Kartells. Laut BGL lehnt das Kartell (bislang) jede Verhandlung und Gespräche über einen außergerichtlichen Vergleich ab. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA), in dem die Hersteller vertreten sind, beantwortete eine Anfrage unserer Zeitung zum Thema nicht. Er wird wissen, warum: Für seine Mitglieder geht es um eine Summe, die schnell die Grenze von einer Milliarde Euro übersteigen kann, wenn man — was Studien nahelegen — von einem Kartell-Schaden für die Kunden von zwischen zehn bis 20 Prozent des Kaufpreises ausgeht. Die Beauftragung von Hausfeld könnte die Gesprächsbereitschaft des Kartells in der Zukunft erhöhen. Nach eigenen Angaben hat die Kanzlei 2016 allein fast die Hälfte der 68 europäischen Kartellschadensersatzverfahren in Europa geführt. Schwierig ist die Höhe der Schadensfeststellung, wozu zunächst ein wettbewerbsökonomisches Gutachten erstellt wird. Der Rechtsdienstleister, an den die Spediteure ihre Forderungen abtreten, ist die Financialright GmbH. Geschäftsführer Sven Bode gründete auch schon „Flightright“, den Marktführer für Passagierforderungen gegen Fluggesellschaften.