Schäuble will EU-Finanzsteuer retten
Kopenhagen/Prag/Frankfurt/Main (dpa) - Nach dem Einlenken bei der Rettungsschirm-Aufstockung für die Eurozone droht der Bundesregierung bei der geplanten Finanztransaktionssteuer der nächste diplomatische Dämpfer.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will nun zwar in einem letzten Rettungsversuch zunächst eine Aktiensteuer nach britischen Vorbild einführen und dann versuchen, langfristig eine umfassendere Lösung durchzusetzen. Das schlug Schäuble seinen EU-Amtskollegen bei einem Treffen in Kopenhagen in einem internen Papier vor. Allerdings zerstreute die dänische Ratspräsidentschaft Hoffnungen, dass es bis Juni tatsächlich zu Beschlüssen kommt.
Zu einem möglichen Kompromiss bei der Steuer wollte sich Schäuble nach den zweitägigen Beratungen in der dänischen Hauptstadt offiziell nicht äußern: „Da lege ich mich jetzt nicht fest. Ich will möglichst viel.“ Widerstand gegen die Abgabe gibt es unter anderem in Großbritannien. Eine hochrangige Arbeitsgruppe soll sich mit dem Thema in den nächsten Wochen beschäftigen. „Ich würde das jetzt nicht als Erfolg werten, aber es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagte Schäuble am Samstag.
Mit der Steuer, die nach dem Willen von Deutschen, Franzosen und der EU-Kommission neben Aktien auch andere Finanzgeschäfte umfassen soll, würde die Finanzindustrie an den gewaltigen Kosten der Krise beteiligt. Außerdem verspricht man sich davon eine Eindämmung spekulativer Geschäfte, die seit der Lehman-Pleite 2008 für eine dramatische Verschärfung der Lage verantwortlich gemacht werden. Die dänische Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager zeigte sich aber skeptisch mit Blick auf eine zügige Einigung. Steuerbeschlüsse müssen in der EU einstimmig fallen.
Die Euro-Finanzminister hatten sich am Freitag darauf verständigt, den neuen Euro-Rettungsfonds ESM von bisher geplanten 500 Milliarden Euro auf rund 800 Milliarden Euro aufzustocken, indem verschiedene Töpfe auch aus dem bisherigen Fonds EFSF hinzugezählt werden. Deutschland hatte eine Erhöhung zunächst abgelehnt, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte jedoch ihre Kehrtwende. „Auch Deutschland muss in der Lage bleiben, auf sich verändernde Situationen zu reagieren“, sagte in einem Interview mit der tschechischen Zeitung „Lidové Noviny“ (Samstag).
Merkel betonte, auch nach der Aufstockung bleibe noch viel zu tun für die Eurozone. „Schritt für Schritt müssen wir - und damit meine ich jedes Land - unsere Wettbewerbsfähigkeit weiterentwickeln“, sagte die Kanzlerin der Zeitung. „Es ist kein einfacher Weg, aber so werden wir, hoffe ich, unsere über Jahrzehnte angehäuften Probleme überwinden können.“
Das Finanzministerium wies einen Bericht des „Spiegel“ zurück, wonach Schäuble die Haushaltsdisziplin der EU-Länder künftig von unabhängigen Fachleuten überwachen lassen will. Es gebe keine neuen Vorschläge, Schäuble unterstütze aber die bisher von der EU-Kommission geplanten Maßnahmen für eine bessere Überwachung der nationalen Budgets, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin.
Mit einem Schulterschluss treten die drei potenziellen SPD-Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück dem Eindruck interner Spannungen um den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin entgegen. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ forderten der SPD-Vorsitzende, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sowie der frühere Bundesfinanzminister gemeinsam die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie Investitionen in Wachstum und Beschäftigung. Sie stellen aber anders als früher keine Bedingungen für die Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt.
Bei Krawallen während einer Demonstration von Kapitalismus-Kritikern gegen die Euro-Politik in Frankfurt am Main wurden am Samstag mindestens 15 Polizisten verletzt, einer davon schwer. Während der stundenlangen Randale in der Innenstadt nahm die Polizei nach eigenen Angaben 465 Menschen vorläufig fest. Aus dem Protestzug mit mehreren tausend Teilnehmern waren zunächst Farbbeutel auf das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) geworfen worden. Später flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper. Die Demonstration war Teil eines „Europäischen Aktionstags gegen den Kapitalismus“ verschiedener linker Gruppierungen.