Meinung Schluss mit der Daumenregel
Bei einer 100-Gramm-Tafel Schokolade darf der Hersteller nicht einfach 90 Gramm liefern und den Kunden darauf verweisen, die zehn Prozent Minus lägen doch wohl im Toleranzbereich. Eben so funktioniert das auf einem Markt, bei dem es um viel mehr geht — dem Wohnungsmarkt.Bisher war es hier so, dass eine Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Mietvertrag festgelegten Wohnfläche nur dann zu reklamieren war, wenn diese Abweichung „wesentlich“ war.
Und als wesentlich galt nur eine Flächenabweichung von mehr als zehn Prozent. Geringere Differenzen — nach oben oder unten — mussten hingenommen werden.
Mit dieser ungerechten Daumenregel hat der Bundesgerichtshof nun teilweise Schluss gemacht. Doch damit ist längst nicht alles geregelt. Denn das Urteil bezieht sich ausschließlich auf Mieterhöhungen. Will der Vermieter die Miete heraufsetzen, so darf er sich nur an der tatsächlichen Größe der Wohnung orientieren. Ist diese aber kleiner als im Mietvertrag angegeben, so kann der Mieter weiterhin nur dann die Miete mindern, wenn die Abweichung mehr als zehn Prozent ausmacht.
Weil nur eine Mieterhöhung, nicht aber eine Mietminderung Gegenstand des Urteils war, ist es umso wichtiger, dass der Gesetzgeber das Thema anpackt und klare Regeln schafft. Auch wenn die Wohnflächenberechnung nicht so einfach ist wie das Wiegen einer Tafel Schokolade: Allein die tatsächliche Wohnfläche sollte Grundlage aller Ansprüche im Mietrecht sein. Ob es nun um Mieterhöhung, Mietminderung oder auch Betriebskosten geht, deren Höhe ja auch von der Wohnfläche abhängt.