Schweiz zieht die Notbremse - Märkte weiter hochnervös

Frankfurt/New York (dpa) - Furcht und Nervosität treibt die Märkte an - und jetzt auch die Notenbanken. Die Schweizer Geldhüter griffen am Dienstag zur Notbremse und stoppten den Rekordflug des Franken zum Euro mit einer strikten Obergrenze.

Einen derart starken Eingriff in den Währungshandel hat es seit über drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Damals mussten sich die Schweizer gegen die D-Mark zur Wehr setzen. Auch die EU will jetzt durchgreifen: Die gefährlichen Kursschwankungen durch superschnelle Computergeschäfte sollen unterbunden werden.

Zuletzt hatten sich immer mehr Investoren auch angesichts der Gefahren durch die Euro-Schuldenkrise in den Schweizer Franken geflüchtet. Neben Gold gilt vor allem die Schweizer Währung als „sicherer Hafen“ für viele verunsicherte Anleger. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) legte sich am Dienstag fest: Für einen Euro soll es künftig nicht weniger als 1,20 Franken geben. Bislang schwankten die Währungskurse, wie es beim Euro zum Dollar der Fall ist, je nach Angebot und Nachfrage.

Für die Exportwirtschaft des Alpenlandes ist die starke Währung eine enorme Belastung. Den meisten ist die Schweiz durch Käse und Uhren bekannt - viel wichtiger sind aber Exportgüter wie Pharmaprodukte und Maschinen.

Der vergleichsweise günstige Euro verleitete viele Schweizer andererseits, über die Grenze zu fahren und kräftig einzukaufen, davon profitierten auch deutsche Händler. Ein Schweizer Franken soll nun künftig höchstens 0,833 Euro wert sein. Ende 2007 war ein Franken noch für etwa 0,60 Euro zu haben - in diesem Jahr lag er schon bei 0,97 Euro, eine Aufwertung von mehr als 60 Prozent.

Die Ankündigung der SNB überraschte die Finanzmärkte, die mit heftigen Kursbewegungen reagierten. Am Devisenmarkt sprang der Euro zur US-Währung kurzfristig deutlich auf 1,4275 Dollar, um dann unter die Marke von 1,40 Dollar zu fallen. Zum Schweizer Franken lag der Euro zuletzt knapp über dem angepeilten Mindestkurs von 1,20 Franken. Die SNB sei nun bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen, sagten Händler. Praktisch bedeutet das: Die Zentralbank werde immer, wenn der Wechselkurs die Zielmarke überschreitet, Euro kaufen - und dafür Franken auf den Markt werfen, was aber auch Inflationsgefahren birgt.

Die Aktienmärkte in Deutschland und Europa zeigten sich zunächst beeindruckt von dem drastischen Währungsschritt der Schweiz und reagierten positiv. Im weiteren Verlauf überwogen aber die Sorgen über die Euro-Schuldenkrise auch angesichts des mit Spannung erwarteten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm. Konjunkturängste sorgten für eine anhaltende Mollstimmung sowohl in Europa als auch in den USA.

Am deutschen Aktienmarkt schloss der Dax nach dem dramatischen Kurssturz des Vortages den vierten Handelstag in Folge mit Verlusten. Mit einem Minus von 1,0 Prozent auf 5193,97 Punkte und damit auf dem niedrigsten Stand seit Juli 2009 ging er aus dem Handel.

In den USA verpufften leicht positivere Konjunkturdaten schnell, obwohl sich die Stimmung der Einkaufsmanager im Dienstleistungssektor im August überraschend aufgehellt hat. Der entsprechende Indikator deutete Händlern zufolge aber nur auf eine moderate Erholung der US-Wirtschaft hin. Dies reichte jedoch nicht aus, um die weiter am Markt vorherrschenden Ängste vor einem Rückfall der USA in eine Rezession zu zerstreuen. Wie bereits in Europa standen Bankentitel einmal mehr weit oben in den Verkaufslisten der Anleger.

Die EU-Kommission will künftig gegen den Hochgeschwindigkeitshandel per Computer vorgehen, der Börsenkurse rasend schnell extrem abstürzen lassen kann. „Wir brauchen Regeln für den superschnellen Handel“, sagte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. „Dazu gehören automatische Stopps, die den Handel unterbrechen, falls die Kurse zu schnell fallen.“ Barnier werde im Oktober oder November eine Novelle der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid mit Vorschriften für den Wertpapierhandel vorlegen.