Spanien gerät noch stärker in den Krisensog
Frankfurt/Main/Madrid (dpa) - Spanien hält die Finanzmärkte weiter in Atem. Das Misstrauen der Investoren in die Krisenbewältigung der Regierung in Madrid wächst. Als Folge stieg die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen erstmals in diesem Jahr über die Marke von sechs Prozent.
Damit wird es für das angeschlagene Euroland immer teurer, Kapital aufzunehmen. Auch die Prämien für Ausfallversicherungen auf spanische Staatsanleihen (CDS) kletterten auf Rekordwerte. Auch der Euro geriet unter Druck. In Brüssel versuchte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, die Lage zu entspannen.
Als Reaktion auf die nervösen Finanzmärkte sprach er Spanien sein Vertrauen aus: „Ich bin absolut überzeugt davon, dass Spanien in der Lage sein wird, die Herausforderungen zu meistern.“ Er sei „vollkommen zuversichtlich“, dass die spanische Regierung alle Schwierigkeiten bewältigen werde. Er vertraue in die Finanzkraft des Landes, betonte Barroso.
Doch die Finanzmärkte nehmen Spanien in der Euro-Schuldenkrise immer stärker ins Visier. Zwar verkündet die Regierung des von Schulden geplagten Landes ein Sparvorhaben nach dem anderen, aber Finanzinvestoren fehlt das Vertrauen. Hintergrund ist, dass die Wirtschaft immer weiter abrutscht und der Bankensektor in anhaltenden Problemen steckt.
Mehr als sechs Prozent Effektivzinsen für zehnjährige Saatsanleihen sind ein deutliches Alarmsignal. Am Montag stieg die Rendite bis auf 6,13 Prozent, Anfang Februar hatte sie noch deutlich niedriger bei unter fünf Prozent gelegen. Ab einem Zinssatz von sieben Prozent gilt die Geldaufnahme für Staaten auf Dauer als zu teuer. Noch stärker gerieten Staatspapiere in den kurzen Laufzeiten unter Druck. Im zweijährigen Bereich stieg die Rendite - ein Maßstab für das Misstrauen der Investoren - auf bis zu 3,68 Prozent. Anfang April hatte sie mit 2,5 Prozent über einen ganzen Prozentpunkt niedriger gelegen.
An den Märkten für Ausfallversicherungen (englisch Credit Default Swaps, abgekürzt CDS) auf Staatsanleihen stiegen die Prämien für spanische Titel sogar auf einen neuen Rekordwert. Am Montag legte die CDS-Prämie für eine fünfjährige spanische Anleihe um rund 18 Stellen auf 521 Basispunkte zu. Das bedeutet, dass die Absicherung einer spanischen Anleihe über beispielsweise 10 000 Euro derzeit 521 Euro pro Jahr kostet - so viel wie noch nie.
Viele Investoren gehen davon aus, dass die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Euro-Zone letztlich nicht ohne internationale Hilfe auskommen wird. Deshalb verstummt der Ruf nach einer Aufstockung des Euro-Rettungsfonds nicht. Nach Ansicht von Experten sind die Rettungsfonds noch zu klein, um Spanien im Notfall helfen zu können.
Barrosos Sprecherin wies in Brüssel allerdings Fragen nach einer Aufstockung des Euro-Rettungsfonds zurück, dies sei kein Thema. Die Finanzminister der Euro-Länder hatten sich Ende März darauf verständigt, den neuen Euro-Rettungsfonds ESM von den bisher geplanten 500 auf rund 800 Milliarden Euro aufzustocken.
Der Euro geriet unterdessen spürbar unter Druck. Zwischenzeitlich sank die Gemeinschaftswährung erstmals seit Mitte Februar unter die Marke von 1,30 US-Dollar. Im Tief kostete ein Euro 1,2993 Dollar, bevor er sich leicht auf zuletzt 1,3020 Dollar erholte. Das britische Pfund profitierte von der Entwicklung und stieg zum Euro auf den höchsten Stand seit September 2010. Auch der Yen, der unter Anlegern als „sicherer Hafen“ gilt, war wieder stärker gefragt.
Im Fahrwasser Spaniens verschlechterte sich auch die Lage am Rentenmarkt Italiens, allerdings nicht ganz so stark wie im iberischen Land. Auch liegt das Renditeniveau mittlerweile unter dem Niveau in Spanien.
Widersprüchliche Aussagen aus den Reihen der Europäischen Zentralbank (EZB) heizten zuletzt die Nervosität an den Anleihemärkten noch an. Dabei geht es um die Frage, ob die Notenbank künftig wieder am freien Markt mit Anleihekäufen intervenieren will, um die Euro-Krisenländer zu entlasten. Das entsprechende Programm ruht seit mehreren Wochen. Dass Spanien am Geld- und Kapitalmarkt diese Woche weitere Anleiheauktionen plant, beunruhigt zusätzlich.
Bereits in den vergangenen Wochen hatte sich die Lage am spanischen Anleihemarkt deutlich verschlechtert. Allerdings ist sie noch nicht ganz so trübe wie im November 2011, als neben Spanien und Italien auch wichtige Kernländer Europas bis hin zu Frankreich in die Schusslinie geraten waren.
Einige europäische Anleihemärkte standen damals kurz vor dem Kollaps. Erst eine gemeinsame Aktion führender Notenbanken sorgte für sichtliche Entspannung. Schließlich beruhigte die EZB die Lage, in dem sie den europäischen Bankensektor seit Dezember mit zwei riesigen Geldspritzen über insgesamt eine Billion Euro versorgte.