Staatsdefizit sinkt - aber Wirtschaft schwächelt
Wiesbaden (dpa) - Der rasante Konjunkturaufschwung zu Jahresbeginn hat Milliarden in die deutschen Staatskassen gespült. Das deutsche Defizit sank im ersten Halbjahr 2011 auf nur noch 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung - nach 3,1 Prozent ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt berichtete.
Die Steuereinnahmen zogen kräftig an, während die Ausgaben für Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld zweistellig zurückgingen. Die Phase des rapiden Wachstums ist aber schon wieder vorbei. Im zweiten Quartal kam das Wachstum fast zum Erliegen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg nur noch um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Die Statistiker begründeten dies mit Rezessionsängsten der Verbraucher, dem Atomausstieg und eben dem starken Wachstum zu Jahresbeginn. Experten sprechen von einem vorübergehenden Dämpfer.
Denn im Gesamtjahr erwartet die staatliche Förderbank KfW nun ein Wachstum von 3,1 Prozent. Unicredit-Volkswirt Andreas Rees prognostiziert, dass die Konjunktur im dritten Quartal wieder anzieht. Im ganzen Jahr 2011 sei ein Plus von rund 3,0 Prozent zu erwarten. Allerdings werde die schwache Weltwirtschaft vom Herbst an den deutschen Export belasten. Für 2012 erwartet der Ökonom daher eine deutliche Abkühlung auf ein Wachstum von 1,25 Prozent - die KfW prognostiziert 1,6 Prozent.
Trotz der Abkühlung drückte der Aufschwung von Januar bis Juni die staatliche Neuverschuldung enorm: Im ersten Halbjahr 2010 hatte die Defizitquote - unter anderem wegen der staatlichen Konjunkturpakete - noch 3,1 Prozent und im zweiten Halbjahr 2010 sogar 5,4 Prozent betragen.
Während Euroländer wie Griechenland oder Portugal unter gigantischen Schuldenbergen leiden und vor der Pleite gerettet werden mussten, erreichte Deutschland die niedrigste Defizitquote seit dem ersten Halbjahr 2008. Damit werden Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen in diesem Jahr die Defizitgrenze von 3,0 Prozent des BIP aus dem Maastricht-Vertrag wohl unterbieten.
Das Bundesfinanzministerium hatte schon im Juli angekündigt, das Staatsdefizit in diesem Jahr auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken zu wollen. Von 2014 an strebt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gesamtstaatlich einen ausgeglichenen Haushalt an. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte der dpa: „Mit einem Defizit von nur noch 0,6 Prozent des BIP rückt die Einhaltung der Schuldenbremse schon jetzt in greifbare Nähe.“ 2010 hatte Deutschland erstmals seit fünf Jahren mit einer Defizitquote von korrigiert 4,3 Prozent wieder gegen die europäischen Vorgaben verstoßen.
Das Finanzierungsdefizit des Staates, also der Saldo von Einnahmen und Ausgaben, ging auf 7,2 Milliarden Euro zurück - nach rund 42,8 Milliarden Euro vor einem Jahr. Ausschlaggebend waren deutliche Einnahmezuwächse um sechs Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2010 auf 562,3 Milliarden Euro. Vor allem Einkommen- und Vermögensteuern lagen weit über dem Niveau des Vorjahres. Zugleich stiegen die Ausgaben nur geringfügig um 0,3 Prozent auf 569,5 Milliarden Euro - auch weil die Ausgaben für das Arbeitslosengeld um fast 20 Prozent und für Kurzarbeitergeld um mehr als 60 Prozent zurückgingen.