Stimmung in der deutschen Wirtschaft trübt sich ein
München (dpa) - Euro-Schuldenkrise und die Turbulenzen an den Finanzmärkten verderben der deutschen Wirtschaft zunehmend die Stimmung. Das Geschäftsklima verschlechterte sich im September bereits zum dritten Mal in Folge, teilte das ifo institut am Montag in München mit.
Der Rückgang fiel zwar geringer aus als zunächst von Experten befürchtet. Volkswirte sehen darin dennoch eine Wende in der Konjunkturentwicklung. Mit einer Rezession rechnet Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) aber nicht.
Vor allem die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden Monate trübten sich angesichts der ungelösten Schuldenkrise, der Talfahrt an den Börsen und auch der weiter tristen Lage der US-Wirtschaft erneut deutlich ein - und zogen das Stimmungsbarometer mit nach unten. Der ifo-Index sank von 108,7 auf 107,5 Punkte. Noch läuft die Wirtschaft rund, wie ifo-Präsident Hans-Werner Sinn betonte: „Die weiterhin gute Lage der Unternehmen zeigt, dass sich die deutsche Konjunktur bislang von den politischen Turbulenzen abkoppeln konnte.“
Allerdings trübten sich die Aussichten der befragten Firmen deutlich ein. Der Erwartungsindex fiel von 100 auf 98 Punkte und damit erstmals seit September 2009 wieder auf einen Wert von unter 100. „Das Umfeld ist einfach noch einmal deutlich schwieriger geworden“, sagte ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger der Nachrichtenagentur dpa. Die Unternehmen bereiteten sich auf schwerere Zeiten vor, Panik sei aber nicht erkennbar. Noch immer böten volle Auftragsbücher und die hohe Nachfrage aus Asien einen guten Puffer.
„Es sieht nach einem geordneten Rückzug aus und nicht nach einem Einbruch“, sagte Abberger. Noch immer beurteilten die befragten Firmen ihre Lage nach wie vor als gut, auch seien etwa in der Industrie weiterhin Einstellungen geplant. „Die Lage bei den Unternehmen ist gut, aber sie treffen Vorbereitungen“, sagte Abberger. Der Lage-Index ging um gerade einmal um 0,2 auf 117,9 Punkte zurück.
Dennoch seien die Risiken für die Entwicklung zuletzt nochmals gestiegen. Es könne durchaus sein, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal auch schrumpft, wenngleich auf einem hohen Niveau, sagte Abberger. Auch die Analysten der Berenberg-Bank erwarten, dass die Wirtschaft im letzten Jahresviertel und zum Auftakt 2012 ein Minus verzeichnet. Danach dürfte es aber wieder aufwärtsgehen - sofern die Schuldenkrise gelöst werden kann, wie die Bank schreibt.
Rösler sieht die Wirtschaft angesichts der Lage in Europa in unruhigerem Fahrwasser. „Zwar sind die Risiken erheblich gestiegen, gleichwohl steht Deutschland derzeit nicht vor einer Rezession, sondern vor einer Phase ruhigeren Wachstums. Mit Spannung wird auch der am Dienstag (27.9.) anstehende Konsumklima-Index der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erwartet.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist weiter zuversichtlich, dass die Wirtschaft hierzulande der Schuldenkrise trotzen kann. „Alles in allem gehen wir weiter von positiven Wachstumsraten aus. Die Lage bei den Unternehmen ist gut“, sagte DIHK-Konjunkturfachmann Dirk Schlotböller im Deutschlandradio Kultur. Zwar gebe es eine deutliche Verlangsamung, das sei aber nicht ungewöhnlich nach zwei so guten Konjunkturjahren, sagte der Experte.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht die deutsche Wirtschaft an einem Wendepunkt. „Das sieht immer weniger nach einer bloßen Wachstumsdelle aus, die zwei Jahre nach dem Ende einer Rezession nicht ungewöhnlich ist. Offensichtlich lastet die Staatsschuldenkrise immer stärker auf dem Konjunkturausblick“, schreibt der Banker. Für den Euroraum sei das Risiko einer Rezession in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. „Für die relativ besser aufgestellte deutsche Wirtschaft ist unsere 2012er Wachstumsprognose von 1,5 Prozent mit erheblichen Abwärtsrisiken versehen.“
Insgesamt steht der ifo-Index allerdings noch ganz gut da. Schlechter stand das wichtige Barometer zuletzt im Juni 2010. Seinen Tiefpunkte erreichte der ifo-Index in der vergangenen Krise im Dezember 2008, als der Wert auf 84,6 Punkte abgesackt war. Für die Ermittlung des Stimmungstests befragt das ifo-Institut bundesweit monatlich rund 7000 Unternehmen. Wegen der langen Zeitreihen und der großen Kontinuität gilt der ifo-Index als der wichtigste Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft.