Strafen allein können Zinskartelle nicht stoppen
Dorothea Schäfer vom DIW plädiert für die Finanztransaktionssteuer und mehr Kontrollen.
Berlin. Nun ist es also amtlich. Jahrelang hat nicht der Markt den zentralen Preis im Finanzsektor, den Referenzzins, bestimmt, sondern ein Kartell aus Megabanken. Wenige Händler haben Libor und Euribor nach dem Motto festgezurrt, welchen Zins brauchen wir denn für möglichst hohe Wettgewinne und persönliche Boni.
Die EU-Kommission hat die Banken nun bestraft. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist: An dem Anreiz zu Kartellabsprachen ändern die Bußen von einigen Hundert Millionen pro Bank wenig. Allein die Deutsche Bank erzielt in normalen Jahren mehrere Milliarden Euro Profit. 2011 waren es 4,3 Milliarden Euro nach Steuern. Da lässt sich eine Strafe von etwas über 700 Millionen Euro fast aus der Portokasse bezahlen.
Solange die Händler der wenigen Megabanken mit Absprachen hohe Profite für ihre Häuser und hohe Boni für sich selbst erzielen können, wird sich wenig an deren Neigung zu illegalen Absprachen ändern.
Im Milieu der Handelsräume von Megabanken sind Profite und Boni am Ende die einzige Währung, die zählt. Finanzkrise und staatliche Rettungen haben daran wenig geändert. Erst jüngst durften wir lernen, dass die Anzahl der Einkommensmillionäre im Finanzsektor 2012 gestiegen ist. Und das, obwohl der Staat nach wie vor die Großbanken gegen Bankrott „versichert“, ohne dafür eine Prämie zu erhalten.
Zum Dank kämpfen jene Großbanken vehement gegen eine wirksame Begrenzung der Bonus-Exzesse und gegen das einzige Instrument, das Besserung im Kampf gegen Finanzwetten verspricht — die Finanztransaktionssteuer.
Und illegale Kartellabsprachen hin oder her, die Finanzlobbyisten sind ja erfolgreich. Erst jüngst hat der amtierende Finanzminister davon gesprochen, dass die Finanztransaktionssteuer so schnell nicht kommen wird. So sieht es aus, das perfekte System der Privatisierung von Gewinnen und der Sozialisierung von Verlusten — und staatlicher Ohnmacht.
Aber wir sind natürlich auch selber schuld. Warum haben Aufseher, Wissenschaftler, Journalisten und Politiker blind darauf vertraut, dass bei der Preisfestsetzung im Finanzsektor alles mit rechten Dingen zugeht? Die beherrschende Marktstellung einiger weniger Megabanken bei der Festsetzung diverser Referenzpreise im Finanzsektor hätte zu denken geben müssen.
Haben wir „Naivlinge“ die Banker jahrzehntelang für die besseren Menschen gehalten, die solchen Anreizen nicht erliegen? Diese Illusion ist jetzt weg. Die Bankenaufsicht wird bei den bekannten Verdachtsfällen sicherlich genauer hinschauen.
Aber ist das Misstrauen hoch genug, um nicht nur bekannten Verdachtsfällen nachzugehen, sondern auch vorausschauend andere vermeintliche Marktpreise im Finanzsektor unter die Lupe zu nehmen? Infrage kämen da auch die Gehälter und Boni der durchaus überschaubaren Anzahl von Spitzenbänkern — und -händlern.
Für eine lange Zeit sollte im Finanzsektor auf allen Ebenen gelten „Vertrauen ist gut — Kontrolle ist besser“. Und Strafen, die in einem angemessenen Verhältnis zum erzielbaren Profit stehen, sind noch besser.