Streit um Zinswetten: Deutsche Bank verliert
Karlsruhe/Frankfurt (dpa) - Herbe Niederlage für die Deutsche Bank - Hoffnung für Kommunen und Mittelständler: Im Streit um hochriskante Zinswetten urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag gegen Deutschlands größte Bank.
Der Dax-Konzern muss dem Hygienehersteller Ille aus Altenstadt in Hessen gut 540 000 Euro Schadenersatz zahlen - Geld, das der Mittelständler durch den Kauf eines „CMS Spread Ladder Swaps“ im Jahr 2005 in den Sand setzte. Die Bank habe ihre Beratungspflichten verletzt, urteilte der BGH (Az.: XI ZR 33/10).
Mit dem ersten höchstrichterlichen Urteil in einer Serie von Klagen um derartige Geschäfte schuf der BGH zugleich faktisch neue Beratungspflichten für Banken, die etliche Finanzgeschäften betreffen, vor allem hochkomplexe Derivate. Anwälte sehen eine Klagewelle auf die Deutschen Bank zurollen.
Mit den Zinsswaps der Deutschen Bank - quasi eine Wette auf die künftige Zinsentwicklung - hatten etliche Mittelständler, kommunale Unternehmen und Kommunen hohe Verluste erlitten, unter anderem in Pforzheim, Würzburg und Hagen. Andere Banken verkauften ähnliche Produkte.
Nach Ansicht des BGH versäumte es die Deutsche Bank, ihre Kunden auf einen „schwerwiegenden Interessenkonflikt“ hinzuweisen: Für die Bank ist das Geschäft nur profitabel, wenn die Wette zum Nachteil des Kunden ausgeht. „Der Gewinn der einen Seite ist der Verlust der anderen“, erklärte der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers.
Bei einem „so hochkomplex strukturierten und riskanten Produkt wie dem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag“ müsse dem Kunden „in verständlicher und nicht verharmlosender Art und Weise insbesondere klar vor Augen geführt werden, dass das für ihn nach oben nicht begrenzte Verlustrisiko nicht nur ein "theoretisches" ist, sondern ... real und ruinös sein kann“, führte das Gericht aus. Die Bank habe „die Risikostruktur des Geschäft bewusst zulasten des Kunden und zu ihrem Vorteil gestaltet, um das Risiko gewinnbringend zu verkaufen“.
Die Aufklärung des Kunden müsse gewährleisten, dass dieser „im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank“. Nur dann könne der Kunde eigenverantwortlich entscheiden, ob er die ihm angebotene Wette annehme.
Die Deutsche Bank hatte stets betont, sie habe über Chancen und Risiken des Produkts aufgeklärt. Zu den Auswirkungen des BGH-Urteils für den Konzern wollte sich Deutsche-Bank-Anwalt Christian Duve nicht im Detail äußern. „Die Höhe der Streitwerte und die Zahl der Verfahren ist überschaubar“, sagte Duve. Die Bank habe „angemessene Risikovorsorge“ getroffen.
Klägeranwalt Jochen Weck sprach dagegen von rund 700 möglichen Fällen: 500 Mittelständler sowie 200 Kommunen und kommunale Unternehmen. Der durchschnittliche Schaden pro Fall betrage rund eine Million Euro. Bisher landeten insgesamt acht Klagen beim BGH, 17 weitere sind bei den Vorinstanzen anhängig.
DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki ließ erklären: „Viele Kommunen haben gehofft, die Löcher in ihren Haushalten mit versprochenen Gewinnen aus den sogenannten Zinswetten zu stopfen und gerieten dabei noch tiefer in die roten Zahlen. Sie alle sollten nun auf der Grundlage dieses Urteils prüfen, ob sie nicht ebenfalls Schadenersatz von den Geldinstituten einklagen können, die sie in diese Kamikaze-Geschäfte verwickelt haben.“
In der mündlichen Verhandlung vor dem BGH hatte der Prozessvertreter der Deutschen Bank noch gewarnt: Im Falle einer Verurteilung der Deutschen Bank drohe „eine zweite Finanzkrise“. Dem trat der Vorsitzende Richter am Dienstag entgegen: Eine Bank sei nicht generell verpflichtet, darüber aufzuklären, dass sie mit ihren Produkten Gewinne erzielen wolle. Das sei „offenkundig“.
Verbraucherschützer bewerteten das Urteil als wichtiges Signal für alle Bankkunden. Die BGH-Entscheidung verdeutliche, dass „genereller Handlungsbedarf besteht, die Qualität in der Finanzvermittlung zu verbessern“, sagte Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) der dpa.