Stresstest schockt Märkte nicht
Frankfurt/Main (dpa) - Europas Banken fehlen Milliarden - doch die Märkte schockt diese Nachricht nicht. Zwar bleibt das Umfeld nervös, dennoch kletterten Bankaktien am Freitag nach anfänglichen Verlusten schnell ins Plus.
Börsianer zeigten sich erleichtert, dass der jüngste Bankenstresstest keine neuen Hiobsbotschaften gebracht hatte. Für Auftrieb sorgte zusätzlich der Beschluss der EU-Staaten, bei künftigen Rettungspaketen für kriselnde Staaten möglichst Lösungen ohne Beteiligung privater Gläubiger wie Banken und Versicherungen zu finden. Der im Falle Griechenland vereinbarte Schuldenschnitt von 50 Prozent solle ein Sonderfall bleiben.
Nach den am Donnerstag veröffentlichten Ergebnissen brauchen 31 von 65 der größten Institute (ohne Griechenland) in Europa dringend frisches Kapital für Krisenzeiten. Der verschärfte Stresstest der europäischen Bankenaufsicht EBA ergab, dass fast 115 Milliarden Euro fehlen. Davon entfallen 13,1 Milliarden Euro auf sechs deutsche Institute: Commerzbank (rund 5,3 Mrd), Deutsche Bank (3,2 Mrd), NordLB (2,5 Mrd), Helaba (1,5), DZ Bank (353 Mio), WestLB (224 Mio).
Diese Summen waren weitgehend so erwartet worden. In vielen Fällen sind die Kapitallücken auch schon geschlossen, etwa bei Helaba und NordLB. Dort greifen Maßnahmen zur Kapitalstärkung zum Jahresende. Die EBA erkannte sie nur nicht an, weil sie für ihren Test den Stichtag 30. September 2011 festgelegt hatte. Sparkassenpräsident Heinrich Haasis bekräftigte am Freitag: „Der EBA-Stresstest löst über die bereits beschlossenen und eingeleiteten Maßnahmen hinaus keinen weiteren Handlungsbedarf bei den Landesbanken aus.“
Die teilverstaatlichte Commerzbank hatte am Donnerstagabend erneut versichert, sie wolle die Lücke aus eigener Kraft schließen und nicht erneut um Staatshilfe bitten. Analysten bezweifeln, dass der deutschen Nummer zwei das gelingen wird. DZ-Bank-Experte Matthias Dürr meint, die Commerzbank benötige weitere Kapitalmaßnahmen, müsse Vermögenswerte verkaufen oder verstärkt Kosten einsparen, um die Anforderungen zu erfüllen: „Mit einbehaltenen Gewinnen alleine kann das Institut die Kapitallücke nicht rechtzeitig schließen.“
Die EBA verlangt bis Ende Juni 2012 eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent. Bis zum 20. Januar sollen die Institute den nationalen Aufsichtsbehörden erklären, wie sie diesen Wert erreichen wollen. Kernkapital ist ein Puffer für Krisenzeiten, weil damit Verluste abgefedert werden können.
Ursprünglich waren Europas Aufseher von 5,2 Milliarden Euro Kapitalbedarf für die 13 deutschen Banken im Test ausgegangen. Dass die Summe nun weitaus größer ausfiel sei vor allem „einer sehr harten Kernkapitaldefinition“ geschuldet, hatten Bundesbank und Bafin am Donnerstag klargestellt.
Die EBA ließ letztlich die zumeist schlechten Geschäftsergebnisse aus dem dritten Quartal einfließen, setzte strengere Maßstäbe für Risikoanlagen an und schränkte die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten bei Staatsanleihen ein.
Der Frankfurter Bankenprofessor Martin Faust befand: „So ein Test ist nur eine Momentaufnahme. Sehr viel hängt davon ab, wie es sich bei den Staatsanleihen weiterentwickelt.“ Wegen der Schuldenkrise im Euroraum büßten Staatsanleihen stark an Attraktivität ein, die Risikoaufschläge schnellten teils kräftig nach oben. Barclays warnte in einer Analyse: „Die Marktreaktion auf den Stresstest könnte ... von anhaltenden Sorgen um die Staatsschulden überschattet werden.“