Strompreis: Ärger über Ausnahmen

Immer mehr Firmen zahlen nur reduzierte Netzentgelte. Dennoch wird die Umlage 2014 für alle Kunden sinken.

Berlin. Wenn man so will, muss der Golfclub Johannesthaler Hof als Sündenbock für eine unfaire Kostenverteilung bei der Energiewende herhalten. Der Club am Rande des Schwarzwalds kommt wegen eines starken Stromverbrauchs in lastschwachen Nebenzeiten bis 2015 in den Genuss geringerer Netzentgelte.

Das Beispiel dient den Grünen für scharfe Angriffe. Und neue Zahlen zeigen: Die von Union und FDP ausgeweiteten Rabatte nutzen immer mehr Firmen.

Wirtschafts-Staatssekretär Stefan Kapferer hat auf eine Anfrage der Grünen mitgeteilt, dass im laufenden Jahr noch mal bis zu 1500 neue Anträge bei der dafür zuständigen Bundesnetzagentur gestellt werden könnten. Da Befreiungen unbefristet oder für mehrere Jahre gewährt werden, kämen sie oben drauf. Einige Beispiele aus der Liste der bereits genehmigten Anträge: der Friedrichstadtpalast in Berlin, Kühlhäuser, Schlachthöfe und Fast-food-Imbisse.

Allerdings sind die Vorteile etwa beim Golfclub Johannesthaler Hof überschaubar. „Wir zahlen je nach Verbrauch 1500 bis 3000 Euro im Jahr weniger“, sagt Geschäftsführer Werner Schaffner. Aber: Insgesamt wurden 2329 Anträge seit 2011 schon positiv beschieden — die Kosten hierfür kletterten auf 440 Millionen Euro 2012 und könnten im laufenden Jahr nach Schätzungen mehr als 800 Millionen Euro betragen.

Der Paragraf 19 der Stromnetzentgeltverordnung ist seit der Energiewende ein Streitpunkt. Im politischen Berlin ist er auch als „Mitternachtsparagraf“ bekanntgeworden, weil Änderungen in der Schlussphase der Gesetzesberatungen zur Energiewende kurz vor der Abstimmung zunächst unbemerkt untergebracht wurden.

So wurde neben reduzierten Netzentgelten etwa bei hoher Stromabnahme nachts, auch für die energieintensivsten Unternehmen mit einer konstant hohen Abnahme eine 100-prozentige Befreiung beschlossen.

Union und FDP begründeten dies 2011 mit einer netzstabilisierenden Wirkung durch die gleichmäßige, berechenbare Stromabnahme — und einer Sicherung von Stellen. Im Juli wurde der Paragraf vom Kabinett aber in Teilen revidiert. Die Reform war auch durch zwei Entwicklungen erzwungen worden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die Komplettbefreiung bei einem enorm hohen Verbrauch gekippt, zudem sah die EU-Kommission wettbewerbsrechtliche Probleme.

Während bisher mehr als 200 energieintensive Betriebe komplett von Netzentgelten befreit waren, müssen sie nun mindestens zehn Prozent der allgemeinen Kosten für den Transport von Strom bezahlen — vorausgesetzt, sie verbrauchen pro Jahr zehn Gigawattstunden Strom und nehmen mehr als 8000 Stunden Strom ab. Werden nur über 7000 Stunden Strom abgenommen, sind 20 Prozent der Netzentgelte zu zahlen. Dadurch wird die Umlage 2014 sinken (siehe Kasten).