Studie: Große US-Konzerne zahlen kleine Steuern
Washington (dpa) - Diese Studie ist Wasser auf die Mühlen der Wall-Street-Besetzer: Wie die Interessengruppe „Citizens for Tax Justice“ (Bürger für Steuergerechtigkeit) herausgefunden hat, zahlen die großen US-Konzerne weit weniger Ertragssteuern als sie eigentlich sollten.
Besonders Finanzfirmen schaffen es demnach immer wieder, massive Steuervergünstigungen für sich herauszuschlagen. Aber auch Telekommunikations-, Energie- und Ölmultis drücken sich gerne.
„Das ist verschenktes Geld, das man dafür hätte nutzen können, die staatliche Krankenversicherung abzusichern, Arbeitsplätze zu schaffen und das Staatsdefizit zu senken“, sagte der federführende Studienautor Robert McIntyre am Donnerstag in Washington. Er und sein Team hatten sich die Geschäftsberichte von 280 der profitabelsten US-Unternehmen aus den Jahren 2008 bis 2010 angeschaut und dabei Ernüchterndes festgestellt.
„Diese 280 Unternehmen haben Steuervergünstigungen über annähernd 223 Milliarden Dollar erhalten“, sagte McIntyre. Während der bundeseinheitliche Steuersatz für Firmen in den USA eigentlich bei 35 Prozent liegt, hätten die Unternehmen im Schnitt tatsächlich lediglich 18,5 Prozent abgeführt. 30 Unternehmen hätten binnen der drei Jahre sogar keinen einzigen Cent gezahlt, obwohl sie zusammen 160 Milliarden Dollar vor Steuern verdient hätten.
Lobbyisten drängen die Regierung in Washington immer wieder, den Steuersatz für Unternehmen zu senken mit dem Argument, nur so könnten die US-Firmen international wettbewerbsfähig bleiben. Die Bewegung „Occupy Wall Street“ verlangt genau das Gegenteil: eine höhere tatsächliche Besteuerung der Wohlhabenden und der Konzerne. Auch in Deutschland und anderswo auf der Welt demonstrieren Menschen seit Wochen für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft.
Nach den Beobachtungen der Studienautoren hat zumindest die Steuergerechtigkeit abgenommen. Nach einer Reform 1986 habe die reale Steuerquote bei 26,5 Prozent gelegen, dann hätten die Firmen aber immer mehr Schlupflöcher gefunden. In den Jahren 1996 bis 1998 sei die Quote schon auf 21,7 Prozent gefallen und 2002 sei sie schließlich bei 17,2 Prozent gelandet.
Nach den Daten der Studie erhielt die Großbank Wells Fargo in den vergangenen drei Jahren das größte „Steuergeschenk“ mit 18 Milliarden Dollar. Aber auch die Telekomriesen AT&T und Verizon, der Industriekoloss General Electric und das IT-Urgestein IBM sicherten sich demnach weitreichende Vergünstigungen. Wells Fargo etwa hatte die zusammengebrochene US-Sparkasse Wachovia geschluckt, die in der Finanzkrise massive Verluste angehäuft hatte, und konnte dadurch Steuern sparen.
Die Studie hat allerdings eine Schwäche: Die Geschäftsberichte, auf die sich die Autoren stützen, weisen die Steuerbelastungen nur näherungsweise aus. Dies nahmen Sprecher der gescholtenen Firmen zum Anlass, die Ergebnisse in Zweifel zu ziehen. Die genauen Summen aus den Steuerbescheiden wollten die Sprecher indes nicht nennen.