Studie: Höhere Löhne Beitrag zur Krisenbewältigung
Berlin (dpa) - Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sieht in Lohnsteigerungen von mindestens drei Prozent einen geeigneten Beitrag Deutschlands zur Krisenbewältigung in der EU.
Lohnzuschläge von zuletzt im Schnitt 2,8 Prozent hätten zwar geholfen, die Probleme etwas abzumildern. Der Normalisierungsprozess bei den Löhnen in Deutschland sei aber bislang zu schwach, um einen relevanten Beitrag gegen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der EU zu leisten, sagte IMK-Chef Gustav Adolf Horn am Montag in Berlin.
Deutschland liegt laut der neuen IMK-Studie mit Lohnkosten von 31 Euro pro Arbeitsstunde (2012) an achter Stelle im EU-Vergleich - und damit weiterhin im Mittelfeld. Gegenüber 2011 rutschte die Bundesrepublik um einen Rang nach hinten, tauschte mit Finnland die Position.
Höhere Arbeitskosten weisen Länder wie die Niederlande, Frankreich, Belgien und Schweden auf. Schweden hatte im vergangenen Jahr mit 42,20 Euro pro Stunde die höchsten Arbeitskosten in Europa.
Geringfügig niedriger als in Deutschland sind die Arbeitskosten mit 30,20 Euro in Österreich. In den Krisenländern Italien, Irland, Spanien, Griechenland und Portugal reichen sie von 27,40 bis 11,70 Euro pro Stunde. Zu den Arbeitskosten zählen neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen, Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung sowie als Arbeitskosten geltende Steuern.
Der aktuelle deutsche Rekord-Exportüberschuss zeigt nach Einschätzung von Horn, dass die jüngsten Lohnsteigerungen die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie nicht beeinträchtigt haben. „Wir kritisieren den Überschuss, nicht den Export.“ Es sei im deutschen Interesse, die breite internationale Kritik an den hohen Überschüssen in der deutschen Leistungsbilanz ernst zu nehmen.
Laut Studie profitiert die deutsche Industrie von den niedrigen Löhnen, die im deutschen Dienstleistungssektor bezahlt werden. Die Differenz zu den Löhnen in der Industrie wird mit etwa 20 Prozent angegeben. Die preiswerten Vorleistungen dieser Dienstleister verschafften der deutschen Industrie im europäischen Wettbewerb einen Kostenvorteil zwischen 8 und 10 Prozent. Das entspricht rund drei Euro je Arbeitsstunde.
Auch nach Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro verschwindet dieser Kostenvorteil nach Einschätzung der IMK-Forscher nicht. Er schrumpft etwas, betrage aber immer noch 6 bis 7 Prozent gegenüber wichtigen Konkurrenten. Generell gilt laut IMK: Höhere Löhne bei stabiler Beschäftigung schaffen die Voraussetzungen für einen relativ kräftigen privaten Konsum. „Das stützt unsere Wirtschaft.“
Im privaten Dienstleistungssektor lagen die deutschen Arbeitskosten 2012 mit 28,40 Euro weiterhin an neunter Stelle nach den Benelux-Ländern, den nordischen EU-Staaten, Frankreich und Österreich. Den höchsten Wert wies auch hier Schweden mit 41,90 Euro aus, der Durchschnitt im Euroraum beträgt 27,70 Euro.
2012 stiegen die Arbeitskosten im deutschen Dienstleistungssektor um 3,1 Prozent. Damit lag der Zuwachs erstmals seit Beginn der Währungsunion über dem Euroraum-Durchschnitt (2,1 Prozent). In der ersten Hälfte 2013 verlangsamte sich der Anstieg in Deutschland auf 2,6 Prozent.