Studie: Ölkonzerne kassieren zu stark ab
Berlin (dpa) - Autofahrer in Deutschland müssen an der Tankstelle mehr bezahlen, als es einer Studie zufolge durch die hohen Ölpreise gerechtfertigt wäre.
Das ist das Ergebnis einer aktualisierten Berechnung des Energie-Experten Steffen Bukold im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Belastung sei allein im März rund 167 Millionen Euro zu hoch gewesen, errechnete Bukold. Zuvor waren es seit Ende November bis zu knapp 100 Millionen Euro pro Monat zu viel gewesen. Nach der Studie sind die zusätzlichen Gewinne beim Superbenzin nicht primär an den Tankstellen angefallen, sondern in den Raffinerien, die sich überwiegend in den Händen der fünf großen Mineralölkonzerne befinden.
Die Benzinpreise verharrten am Donnerstag auf einem Allzeithoch. Zwischen Super E10 und Superbenzin gab es wie am Vortag wegen geringerer Ethanolkosten eine Spanne von vier statt zuletzt drei Cent. Super kostete nach Aral-Angaben knapp 1,72 Euro je Liter, E10 knapp 1,68 Euro. Diesel kostete am Mittag im Schnitt fast 1,54 Euro.
Der Abstand zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen sei zuletzt kontinuierlich gewachsen, sagte Energiefachmann Bukold der dpa. Von November bis März waren die Preise für Superbenzin um 11,3 Cent je Liter gestiegen. Davon ließen sich nur 6,6 Cent durch höhere Ölpreise oder einen veränderten Euro/Dollar-Kurs erklären. Die restlichen 4,7 Cent seien das Ergebnis einer Margenausweitung der Mineralölkonzerne.
Zuletzt sei der Euro minimal stärker geworden, und die Ölpreise seien leicht gefallen. Trotzdem seien die Spritpreise um weitere 2 Cent gestiegen, wodurch die Bruttomarge bei Super auf 19,49 Cent je Liter gestiegen sei. „Das ist ein ungewöhnlich steiler Anstieg der Marge um 69 Prozent in nur vier Monaten“, so Bukold. Dadurch gebe es höhere Gewinne. „Über den Kostenanstieg hinaus fand also eine Umverteilung zu Lasten der Tankstellenkunden statt.“
Der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes, Klaus Picard, sprach von „Webfehlern“ in der Studie. „Es wird nur die Bruttomarge betrachtet und diese gleich Gewinn gesetzt.“ Erst wenn nach Abzug der Kosten noch etwas übrig bleibe, sei ein Gewinn erwirtschaftet worden, so Picard. Zwar steige die Bruttomarge für Benzin, für andere Produkte wie Diesel und Heizöl falle sie aber. Zu den Kosten seien zudem nicht alleine die Verarbeitungskosten in den Raffinerien zu zählen, sondern unter anderem auch hohe Ausgaben der Unternehmen für Instandhaltung und Umweltauflagen.
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn betonte hingegen: „Die Mineralölkonzerne bereichern sich wie jedes Jahr vor Ostern dreist auf Kosten der Verbraucher.“ Einmal mehr zeige sich, dass es auf dem Benzinmarkt zu wenig Wettbewerb gebe, daher sei der jüngste Vorstoß des Kartellamtes notwendig. „Anstatt den Monopolisten noch Geld aus der Pendlerpauschale hinterher zu werfen, muss die Bundesregierung endlich ihre Strategie "Weg vom Öl" vorstellen“, forderte Höhn.
Picard hielt dagegen, dass die Raffinerien lange Zeit Verluste gemacht hätten. „Seit 1995 bis 2011 sind deshalb von 162 Raffinerien in Europa nur noch 99 übrig geblieben. Von diesen 99 stehen mindestens 12 zum Verkauf, sind stillgelegt oder zu Lagern umgebaut worden.“ Richtig sei aber, dass in den vergangenen Monaten die Bruttomargen gestiegen seien. „Falsch ist die Interpretation, dass die Raffinerien dadurch automatisch Gewinne einfahren“, betonte Picard mit Blick auf die Lage bei Raffinerien und Überkapazitäten.
Der frühere Shell-Manager warf den Grünen ein falsches Spiel vor. „Wir sollten vielleicht einmal mit einer großen Lebenslüge aufräumen“, sagte Picard. Einerseits wollten die Politik und speziell die Grünen hohe Benzinpreise, um ökologisch zu steuern, anderseits kritisierte die Politik die hohen Preise, für die sie selbst maßgeblich verantwortlich sei. „Nämlich mit über 92 Cent pro Liter“, sagte Picard mit Blick auf die hohe steuerliche Belastung beim Sprit.
SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte wegen der hohen Benzinpreise eine gezielte Entlastung für Pendler mit kleineren Einkommen. „Die Pendlerpauschale muss endlich sozialer werden“, sagte er der WAZ-Mediengruppe. Er regte an zu prüfen, ob Bezieher von niedrigeren Einkommen durch einen Festbetrag entlastet werden könnten.
Bislang funktioniere die Pendlerpauschale über die Einkommensteuer so, dass Bezieher sehr hoher Einkommen auch sehr viel herausbekämen, während Arbeitnehmer mit geringen Einkommen häufig gar nichts erhielten, obwohl sie viel härter von den Benzinpreisen betroffen seien. Forderungen von CDU- und FDP-Politikern nach einer höheren Pendlerpauschale bezeichnete Gabriel dagegen als „Volksverdummung“.