Cryan unter Druck Sucht die Deutsche Bank schon einen Nachfolger?
Frankfurt/London (dpa) - Der Druck auf Deutsche-Bank-Chef John Cryan nimmt zu. Schon länger stellen Investoren mehr oder weniger offensiv die Frage, ob der im Sommer 2015 als Sanierer angetretene Brite noch der richtige Mann an der Spitze des größten deutschen Geldhauses ist.
Drei Verlustjahre in Folge und ein Kursrutsch der Aktie strapazieren die Geduld der Anleger. Nun berichtet die britische Zeitung „The Times“, der Dax-Konzern sei bereits auf der Suche nach einem Nachfolger für Cryan.
Das Frankfurter Geldhaus habe den Europachef der Wall-Street-Bank Goldman Sachs, Richard Gnodde, angesprochen, schreibt die Zeitung am Dienstag ohne Quellenangabe. Dieser habe das Angebot aber wohl abgelehnt. Eine Sprecherin der Deutschen Bank kommentierte den Bericht auf Nachfrage nicht.
Cryans Vertrag endet regulär im Jahr 2020. Zuletzt hatte er angedeutet, weitermachen zu wollen. Seine Arbeit sei nicht immer einfach gewesen, sagte Cryan mit einem Schmunzeln auf der Bilanzpressekonferenz Anfang Februar und fügte hinzu: „Ich fange an, meinen Job zu mögen.“
Die Beziehung zwischen Cryan und Aufsichtsratschef Paul Achleitner sei zerrüttet, schreibt die „Times“ nun. Cryan wolle die Bank radikaler umbauen, namentlich das Kapitalmarktgeschäft - einst Gewinnbringer der Bank und heute Sorgenkind. Darüber habe es einen heftigen Streit in der Führungsetage gegeben. Schon vergangenes Jahr waren Spannungen zwischen Cryan und Achleitner kolportiert worden. Damals ging es um den Umgang mit dem Großaktionär HNA aus China.
Außer dem Goldman-Manager Gnodde seien der Chef der italienischen Großbank Unicredit, Jean Pierre Mustier, und der Chef der britischen Großbank Standard Chartered, Bill Winters, als mögliche Nachfolger für Cryan erwogen worden, schreibt die „Times“. Intern gelte der fürs Kapitalmarktgeschäft zuständige Co-Vizechef Marcus Schenck als starker Kandidat.
Cryan hatte Mitte 2015 das Ruder bei der Deutschen Bank übernommen. Er baut das von teuren Rechtsstreitigkeiten schwer in Mitleidenschaft genommene Institut seitdem um. So integriert er die Tochter Postbank komplett in den Konzern, um eine stärkere Stellung im deutschen Privatkundengeschäft zu erlangen. Zugleich brachte er die Fondstochter DWS an die Börse, um ihr mehr Freiheiten zu geben.
Doch die gute Nachricht über den soliden Börsenstart der DWS am vergangenen Freitag ging rasch unter: Wenige Tage zuvor hatte Finanzvorstand James von Moltke Investoren mit dem Hinweis auf ein schwieriges erstes Quartal im Kapitalmarktgeschäft geschockt.
Seit dem Wochenende gibt es zudem Wirbel um IT-Vorstand Kim Hammonds: Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hatte Hammonds bei einem Treffen der 150 wichtigsten Führungskräfte gesagt, die Bank sei das „dysfunktionalste Unternehmen“, für das sie je gearbeitet habe. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ tags darauf bestätigte sie dies zwar nicht, widersprach aber auch nicht.
Für öffentliche Kritik sorgten ferner die üppigen Boni. Trotz des Verlusts 2017 schüttet die Bank 2,3 Milliarden Euro an ihre Mitarbeiter aus, vor allem im schwächelnden Investmentbanking.
Die ungute Gemengelage drückt auf den Aktienkurs: Zwischenzeitlich war er unter 11 Euro gerutscht und damit auf tiefsten Stand seit Herbst 2016 - damals war grundsätzlich über die Zukunftsfähigkeit der Deutschen Bank spekuliert worden. Seit Jahresbeginn verlor die Aktie bis dato mehr als 28 Prozent an Wert und ist der mit Abstand schwächste Wert im Leitindex Dax.
Konzernchef Cryan weiß, wie schwierig die Lage ist: „Ich bin selbst einer dieser Kritiker und extrem ungeduldig“, sagte Cryan kürzlich bei einer Veranstaltung in Austin (Texas). „Aber einen Öltanker zu wenden, benötigt eben seine Zeit.“