Trotz Krise: Darum sinkt der Ölpreis
Bisher galt, internationale Konflikte treiben die Preise. Doch derzeit schwächelt die Nachfrage.
Düsseldorf. Die Experten sind verblüfft: Eine Lösung der Ukraine-Krise ist nicht in Sicht, Islamisten bedrohen den Irak, die Ebola-Seuche breitet sich nach Nigeria aus, der Bürgerkrieg in Syrien findet kein Ende und der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern eskaliert. Doch der Ölpreis, ein empfindlicher Seismograph für Krisen, reagiert nicht. Im Gegenteil: Öl ist so billig wie seit 14 Monaten nicht mehr. Wie passt das zusammen?
Der Ölpreis bewegt sich seit einigen Jahren in einem Korridor von 100 bis 115 Dollar für ein Fass (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent. In diesem Jahr war Rohöl Ende Juni mit mehr als 113 Dollar je Barrel am teuersten. Seitdem ging es abwärts mit dem Ölpreis, bis auf knapp über 100 Dollar in dieser Woche.
„Es gibt keinen Mangel an Öl, sondern in einigen Bereichen sogar ein Überangebot“, sagt Steffen Bukold von dem Hamburger Forschungs- und Beratungsbüro EnergyComment. Auch wenn Russland, die Krisenländer des Nahen Ostens und auch Nigeria wichtige Ölproduzenten sind, so ist bislang die physische Versorgung des Weltmarktes mit Rohöl nicht beeinträchtigt. „Der Markt ist krisenmüde“, sagt Rohstoffanalyst Axel Herlinghaus von der DZ Bank in Frankfurt.
Das ist richtig, der Ölpreis hat sich vor 2011 in einem Jahr auch schon mal um 30 oder 50 Prozent verändert. Doch das ist vorläufig vorbei. Die Schwankungen rund um den aktuellen Mittelwert von 107 Dollar je Barrel sind immer geringer geworden. Dazu hat auch beigetragen, dass sich die Finanzinvestoren, Banken, Spekulanten und Hedgefonds weniger im Ölsektor engagieren. Sie haben in der Vergangenheit Preisausschläge nach oben und unten noch verstärkt.
Die USA sind der weltgrößte Ölverbraucher und waren lange ein wichtiger Importeur und Nachfrager auf dem Weltmarkt. Das hat sich geändert. Vermutlich werden die USA in diesem Jahr Saudi-Arabien und Russland als weltgrößte Ölproduzenten ablösen. Das ist der Ölförderung aus Schiefergas mit Hilfe der Fracking-Methode zu verdanken. Dadurch legte die US-Ölproduktion 2013 um 13,5 Prozent zu und erreichte einen Rekordwert. Der Importbedarf der USA sinkt und nimmt Nachfragedruck vom Weltmarkt. Bald könnten die USA zum Nettoexporteur von Öl und Ölprodukten werden.
Das lässt sich kaum sagen. „Auf dem Ölmarkt spielen viele Faktoren eine Rolle, und die sind immer da“, sagt Bankanalyst Herlinghaus. „Aber der Scheinwerfer der Investoren und Marktteilnehmer richtet sich immer nur auf einen Teil davon.“ Gegenwärtig sehen die Märkte nicht so sehr auf das Angebot an Öl, das durch die Krisen eingeschränkt werden könnte. Sie blicken stattdessen auf die Nachfrage. Und die steigt längst nicht mehr so dynamisch, weil die Weltkonjunktur an Schwung verloren hat. Die Nachfrage aus Schwellenländern wächst nicht so schnell wie erwartet.
Das ist nicht sehr wahrscheinlich. „Der Ölpreis ist nach unten abgesichert“, sagt Bukold. Falle er unter 100 Dollar, werde Saudi-Arabien seine Förderung zurückfahren. Auch Herlinghaus glaubt nicht an einen Ausbruch des Ölpreises aus seinem Korridor. Nach unten werde er nur ausbrechen, wenn die Wirtschaft weltweit in eine schwere Krise gerät. Und eine drastische Verteuerung droht vor allem, falls die Islamisten im Irak erfolgreich im Süden angreifen und das Land erobern sollten. Doch damit rechnen die Märkte derzeit nicht.