Trübere Aussichten für die deutsche Wirtschaft
München (dpa) - Die deutsche Wirtschaft gerät zunehmend in den Abwärtssog der Eurokrise. Der ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Juni auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren.
Die Unternehmen bewerten ihre aktuelle Lage zwar etwas besser als im Mai, aber die Erwartungen für das kommende Halbjahr brachen ein. „Die Unsicherheit schwebt wie ein Damoklesschwert über der deutschen Wirtschaft“, erklärte ifo-Konjunkturexperte Gernot Nerb am Freitag in München.
Der ifo-Index sank im Juni weiter von 106,9 auf 105,3 Punkte. Die Industrie habe im Moment zwar noch ein recht gutes Auftragspolster, und die Auslastung der Fabriken sei mit zuletzt 85 Prozent noch gut, sagte Nerb. Aber der Auftragseingang sei schon seit Monaten rückläufig. Ob Metall-, Elektro- oder Autoindustrie, „die Erwartungen sind überall deutlich zurückgegangen. Das ist ein Warnzeichen!“ sagte der Konjunkturforscher: „Da kommt eine wachsende Skepsis zum Ausdruck.“
Die Geschäftserwartungen der Exportindustrie sind nur noch knapp im positiven Bereich. Auch im Inlandsgeschäft sanken sie. Mit Neueinstellungen halten sich die Unternehmen zurück: „Sie versuchen, ihren derzeitigen Personalbestand zu halten“, sagte Nerb.
Der ifo-Index für die aktuelle Lage verbesserte sich nach dem Einbruch im Mai zwar leicht von 113,2 auf 113,9 Punkte. Aber der Index für die Geschäftserwartungen bis Dezember stürzte von 100,8 auf nur noch 97,3 Punkte ab.
Etwas erholt hat sich das Geschäftsklima im Einzelhandel. Nach dem überraschenden Einbruch im Mai sehen die Einzelhändler ihre Geschäftslage jetzt wieder deutlich besser und ihre Aussichten nicht mehr ganz so pessimistisch. Angesichts der stabilen Beschäftigungslage und Einkommen sei diese Korrektur zu erwarten gewesen, sagte Nerb. Auf dem Bau hellte sich das Klima leicht auf, während im Großhandel die Skepsis zunahm.
Bankvolkswirte hatten den weiteren Rückgang des ifo-Index erwartet und nannten die Lage in Spanien und Italien als Hauptgrund. Der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Industrie steht auf Produktionsrückgang. Auch deshalb sei der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas im Mai und Juni ein schlechtes Omen für die deutsche Wirtschaft, betonte Commerzbank-Experte Ralph Solveen.
Allianz-Konjunkturexperte Rolf Schneider sagte, die stark verschlechterten Geschäftserwartungen seien „noch nicht so negativ, dass auf eine beginnende Rezession in Deutschland zu schließen ist“, er rechne dieses Jahr weiterhin mit 1,0 Prozent Wachstum. „Die Konjunkturrisiken haben aber deutlich zugenommen“, es werde eine Gratwanderung.
Der Hauptgeschäftsführer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie, Bertram Brossardt, sagte am Freitag, nach dem guten Jahresanfang „spüren die Betriebe zunehmend Sand im Getriebe, wenn es darum geht, neue Aufträge zu gewinnen. Die schwache weltwirtschaftliche Entwicklung und die Unsicherheit aufgrund der Eurokrise machen sich bemerkbar.“
Ausländische Investoren glauben einer Umfrage zufolge aber weiter an den Standort Deutschland. Neun von zehn Managern seien zuversichtlich, dass Deutschland die Krise meistere, teilte die Beratungsgesellschaft Ernst & Young mit.