US-Kommission übt scharfe Kritik an Finanzelite
Washington (dpa) - Die USA haben nach Ansicht einer staatlichen Untersuchungskommission zu wenig aus der massiven Finanzkrise gelernt. „Unser Finanzsystem ist in vielerlei Hinsicht unverändert von dem, was beim Beginn der Krise existierte“.
So heißt es in dem ersten offiziellen Regierungsbericht, der am Donnerstag in Washington vorgelegt wurde. Die Krise sei die Folge von Gier, Missmanagement und Tatenlosigkeit gewesen.
Und die Katastrophe auf den Finanzmärkten, die zur schlimmsten Rezession der Nachkriegsgeschichte führte, könne sich jederzeit wiederholen, „wenn wir nicht aus der Geschichte lernen“, sagte der Leiter des Gremiums, Phil Angelides, bei der Vorstellung des 633 Seiten langen Werkes. Die Aufsicht und die Regulierung müssten weiter verstärkt werden. „Wir glauben, dass noch viel mehr getan werden muss.“
Die von US-Präsident Barack Obama eingesetzt Kommission kam nach ihrer eineinhalbjährigen Untersuchung zu einem vernichtenden Urteil: „Vor allen Dingen stellen wir fest, dass die Krise vermeidbar war“, sagte Angelides. Der Bericht zeigt zahlreiche Warnzeichen auf, die eindeutig gewesen seien. „Die Tragik ist, dass sie ignoriert oder abgetan worden sind.“ Die Last der Schuld sei auf viele Schultern zu verteilen. Banker, Politiker und Finanzaufseher hätten versagt. „Es waren nicht Mutter Natur oder durchgeknallte Computermodelle.“
Gier, Missmanagement und Tatenlosigkeit seien ausschlaggebende Faktoren gewesen, heißt es in dem Papier. Einen „systematischen Zusammenbruch in Verantwortungsbewusstsein und Ethik“ habe es gegeben, so die Erkenntnis aus mehr als 700 Zeugenbefragungen. Mehr als 8 Millionen Jobs gingen während der Rezession alleine in den USA verloren. Der Steuerzahler musste hunderte Milliarden Dollar in die Rettung von Banken, Versicherungen und der beiden Autobauer General Motors und Chrysler stecken.
Für manche Banker könnten die Enthüllungen direkte Konsequenzen haben. Die Kommission habe eine Handvoll besonders zwielichtiger Fälle an die Justizbehörden weitergereicht, sagte Angelides - ohne nähere Angaben zu machen. Die „New York Times“ berichtete, es gehe zumeist um den Bruch von Vorschriften für den Wertpapierhandel. Strafrechtliche Konsequenzen seien allerdings eher unwahrscheinlich.
Bislang sind nur ganz wenige Manager wegen ihrer Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen worden. Selbst der Pleitebanker schlechthin, der ehemalige Chef der untergegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers, Richard Fuld, blieb unbehelligt.
Der Report geißelt allerdings vor allem die Finanzaufseher und Politiker, die mit ihrer Deregulierung und ihren Fehlentscheidungen die Krise erst hätten derart ausufern lassen. Ins Feuer geraten neben Ex-Präsident George W. Bush auch der amtierende Notenbankchef Ben Bernanke und dessen Vorgänger Alan Greenspan. Letztlich habe aber schon der ehemalige Präsident Bill Clinton mit seinen Lockerungen im Finanzwesen den Grundstein für die Krise gelegt.
Überschattet wurde die Vorlage des Berichtes allerdings von einem offensichtlichen Streit innerhalb des zehnköpfigen Gremiums. Nur die sechs Demokraten in der Kommission akzeptierten die geschilderte Sichtweise über die Auslöser und Konsequenzen der Krise. Die vier Republikaner blieben der Pressekonferenz am Donnerstag fern. Sie wollen alternative Berichte vorstellen.