Verunsicherte Griechen heben Geld ab
Athen (dpa) - Die Zeit für die neue griechische Regierung wird immer knapper: Vor einem entscheidenden Treffen der Euro-Finanzminister heben immer mehr Menschen in dem Krisenland Geld von ihren Konten ab.
Am Montag will die Eurogruppe erneut in Brüssel tagen, um über den griechischen Schuldenberg zu beraten. Athen lehnt weitere Kürzungen im Etat ab - die Geldgeber wollen, dass das Versprochene eingehalten wird. Auch die Banken spüren die Verunsicherung immer deutlicher.
Die Einlagen auf den Konten sind nach Angaben aus Branchenkreisen in Athen inzwischen auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch der schweren Schuldenkrise gefallen. Damit wurde ein Bericht der konservativen Zeitung „Kathimerini“ bestätigt, wonach die Griechen seit November 2014 insgesamt schon rund 20 Milliarden Euro abgehoben haben. Grund sei die Angst der Menschen vor einer schlagartigen Verschlechterung der Finanzlage wegen der Unstimmigkeiten zwischen Athen und der EU über den Abbau des gigantischen Schuldenberges.
Nach Informationen aus Regierungskreisen haben Experten der Geldgeber und Vertreter des griechischen Finanzministeriums zwei Listen mit ihren jeweiligen Positionen ausgearbeitet. Diese sollen am Montag den Finanzministern der Eurogruppe präsentiert werden.
Das von Alexis Tsipras geführte Kabinett besteht darauf, dass es keine weiteren Lohn- und Rentenkürzungen in Griechenland gibt. Zudem soll das Rentenalter nicht erhöht werden. Es soll keine neuen Privatisierungen geben. Nicht abgeschlossene Privatisierungen sollen noch einmal geprüft werden, darunter wird allen Anzeichen nach auch die geplante Verpachtung von 14 Regionalflughäfen an den Frankfurter Airport-Betreiber Fraport sein. Der endgültige Vertrag sollte ursprünglich im Lauf dieses Jahres unterzeichnet werden.
Der für Koordination zuständige Minister Alekos Flambouraris zeigte sich am Samstag optimistisch. „Wir werden uns mit den Partnern zu 99,9 Prozent am Montag einigen“, sagte er im Rundfunk. Privatisierungen sollten jedoch gründlich geprüft werden. Einen „Ausverkauf“ des Vermögens des Landes werde es nicht geben.
Viele Griechen sollen bereits ihr Geld abziehen. Etwa zehn Milliarden Euro seien in „Truhen, Safes oder unter den Matratzen“ in den Häusern versteckt, hieß es in dem „Kathimerini“-Bericht. Weitere sechs Milliarden Euro seien in ausländische Wertpapiere investiert worden. Und rund vier Milliarden Euro lägen mittlerweile auf Konten im Ausland, schrieb das Blatt weiter.
Dieses „Verbluten“ sei in den vergangenen Tagen „mit einem Rhythmus von etwa 200 bis 300 Millionen (Euro) täglich“ weitergegangen, sagte ein hoher Bankangestellter der Deutschen Presse-Agentur. Nach den Wahlen am 25. Januar hatte Griechenlands linker Regierungschef Tsipras das bisherige Rettungsprogramm für beendet erklärt. Er fordert eine Neuregelung für die griechischen Schulden.
Auch unter Finanzexperten bleibt unklar, ob nach einem möglichen Scheitern der Verhandlungen innerhalb der Eurogruppe eine Staatspleite und ein Austritt Griechenlands aus dem Euro folgen könnten. Falls kein Erfolg erzielt werden könne, dürfte die derzeitige Wahrscheinlichkeit für einen solchen „Grexit“ von 25 Prozent deutlich steigen, schrieben Analysten der Commerzbank. Der Bestand der Währungsunion insgesamt sei jedoch nicht in Gefahr.
Fraglich sei vor allem, ob Athen im Fall des Falles überhaupt weiteres Geld bekommen könne - denn die Notkredite (ELA) der Europäischen Zentralbank (EZB) seien nur länger möglich, wenn prinzipiell eine Zahlungsfähigkeit Griechenlands gesichert sei: „Einigt sich Griechenland in den kommenden Wochen nicht mit seinen Geldgebern und ginge dem Land etwa im März oder April das Geld aus, ist es möglich, dass die EZB den Liquiditätshahn zudreht.“
Der Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder, appellierte an die neue Führung in Athen, gegenüber dem griechischen Volk in der Euro-Frage ehrlich zu sein: „Sie sollte ihrem Volk reinen Wein einschenken.“ Den Menschen müsse klargemacht werden, dass weiteres Geld „nur zu erhalten ist, wenn es weitere Anstrengungen gibt“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“ (Samstag).