Volkswagen weist Bericht über nahen Piëch-Abgang zurück
Wolfsburg (dpa) - Volkswagen hat einen Bericht über einen angeblich raschen Rückzug des Konzernpatriarchen Ferdinand Piëch in ungewohnt scharfer Form dementiert.
Der 76 Jahre alte VW-Aufsichtsratschef meldete sich in der Sache sogar persönlich zu Wort und bekräftigte, er bleibe noch lange in gewohnter Funktion an Bord.
Auslöser ist die Titelgeschichte im „Handelsblatt“ vom Freitag, das über einen nahenden Personalumbau an den Spitzen von Aufsichtsrat und Vorstand berichtet. Demnach wolle Piëch aus gesundheitlichen Gründen die Führung des Kontrollgremiums „in den nächsten Monaten sehr wahrscheinlich abgeben“. VW-Chef Martin Winterkorn werde Piëch nachfolgen. Für Winterkorn wiederum werde dessen bisheriger Finanzchef Hans Dieter Pötsch nachrücken - jedoch nur übergangsweise, bis ein jüngerer Nachfolger feststehe. Die Zeitung beruft sich bei ihren Quellen auf Konzernkreise und Piëch-Vertraute.
Pötsch wies Ambitionen auf den Chefposten bei Europas größtem Autobauer zurück. „Diese Frage stellt sich nicht“, sagte der Manager der „Börsen-Zeitung“ (Samstag). „Der Volkswagen-Konzern wird von Martin Winterkorn exzellent geführt.“
„Mit Nachdruck“ wies VW-Kommunikationschef Stephan Grühsem den Bericht des „Handeslblatts“ zurück - und erklärte ausdrücklich das Gegenteil: „Prof. Dr. Ferdinand K. Piëch ist bei bester Gesundheit und bleibt noch lange Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG. Prof. Dr. Martin Winterkorn wird noch lange Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG bleiben. Damit erübrigen sich alle weiteren Spekulationen.“
Piëch selbst sagte dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, wie „Spiegel Online“ am Freitag meldete: „Totgesagte leben länger.“ Mit Blick auf die nahe Messe IAA in der kommenden Woche kündigte Piëch an: „Ich freue mich auf den Konzernabend im Vorfeld der IAA am kommenden Montag, an dem ich auch in Zukunft als Aufsichtsratsvorsitzender teilnehmen werde.“
Auch die bei VW traditionell mächtige Arbeitnehmervertretung wies den Bericht zurück. „Die Geschichte ist Quatsch. Und es ist eine Sauerei, 550 000 Menschen eines Weltkonzerns so verantwortungslos zu verunsichern und das Unternehmen zu schädigen“, sagte Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe keinerlei Anlass für Diskussionen über ein angebliches Stühlerücken.
Winterkorns Vertrag als Vorstandsvorsitzender in Deutschlands größtem Industriekonzern läuft noch bis Ende 2016. Der gebürtige Schwabe ist 66 Jahre alt, Piëch ist zehn Jahre älter. Dieser gilt als Machtzentrum des Konzerns, den er selber als Vorstandschef von 1993 bis 2002 leitete. Piëch entstammt der Porsche-Familie, die über die Porsche-Muttergesellschaft mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Aktien an der Volkswagen AG hält und damit das Sagen hat.
Ein direkter Wechsel von Winterkorn an die Aufsichtsratsspitze wäre rein rechtlich möglich, falls ein entsprechender Vorschlag die Rückendeckung von mehr als einem Viertel der Aktionärsstimmen hätte.
Über die Nachfolgelösung Winterkorn/Piëch wird in Konzernkreisen seit längerem hinter vorgehaltener Hand geredet - aber mit zeitlichem Horizont über Winterkorns Ende 2016 auslaufenden Vertrag hinaus. Das sind noch mehr als drei Jahre. VW will bis spätestens 2018 an Toyota und General Motors vorbeiziehen und weltgrößter Autobauer werden. Das Ziel gilt als Kür für Piëchs Lebenswerk, der VW entscheidend formte.
Die Börse reagierte am Freitag unbeeindruckt. Die Vorzugsaktien der Wolfsburger notierten in einem insgesamt positiven Umfeld der 30 Schwergewichte im Dax auf dem Vortagsniveau.
Finanzvorstand Pötsch kündigte in der „Börsen-Zeitung“ angesichts des schwachen Autoabsatzes in Europa Einsparungen an. „Wir schnallen den Gürtel auf der Kostenseite enger“, sagte er. Es werde an den internen Abläufen und Strukturen gearbeitet. „Und wir reduzieren und verschieben Investitionen, soweit sie nicht produktbezogen sind.“