VW-Arbeiter gegen Gewerkschaft
Die Arbeitnehmer im einzigen US-Werk des Autoherstellers lehnen Organisation ab.
Chattanoog. In den Augen der US-Amerikaner sind die Deutschen manchmal ein schwer zu durchschauendes Volk. Zwar gelten sie als fleißig und zuverlässig. Deutschland habe Europa aus dem Dreck gezogen, ist die landläufige Meinung. Feiern können die Deutschen nach Ansicht der Amerikaner auch — nicht ohne Grund eröffnen in Metropolen wie New York ständig neue Biergärten. Doch was die meisten Amerikaner nicht verstehen, ist das Konzept der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Das zeigt sich beispielhaft beim Versuch von VW, in seinem US-Werk einen Betriebsrat zu gründen.
Man stelle sich folgendes Szenario vor: In einer deutschen Fabrik sollen die Mitarbeiter darüber befinden, ob sie von einer Gewerkschaft vertreten werden möchten. Und der örtliche Bundestagsabgeordnete würde sich wie folgt äußern: „Wir sorgen uns um die Zukunft unserer Kommune ... Wenn sie gewinnen, wird sich der Lebensstandard der Menschen verschlechtern ... Unternehmen werden sich hier nicht mehr ansiedeln wollen.“
So ist es in Chattanooga geschehen, wo Volkswagen seit drei Jahren sein einziges Werk in den Vereinigten Staaten betreibt. Die Wolfsburger bauen dort den US-Passat, eines ihrer meistverkauften Modelle im Land. 5000 Jobs bei VW selbst, bei Zulieferern und sonstigen Firmen hängen von dem Werk ab, rechnet der Konzern vor. Das ist viel für den strukturschwachen Süden der USA.
Einer der Baumeister dieses kleinen Wirtschaftswunders ist Bob Corker, früher Bürgermeister der Stadt und heute Senator in Washington. Corker ist derjenige, der zuletzt am heftigsten gegen das Ansinnen giftete, bei VW eine Arbeitnehmervertretung nach deutschem Vorbild aufzubauen. Corker missfiel, dass dadurch die Autogewerkschaft UAW in der Region Fuß fassen könnte. „Ein Betriebsrat ist ein interessantes Konzept für mich, wirklich, das ist es“, beteuerte er vor einer Woche. Doch nicht mit der UAW, den United Auto Workers. „Schaut Euch Detroit an“, warnte der Republikaner in Anspielung auf die insolvente Autostadt im Norden.
Im Süden der USA haben Gewerkschafter seit jeher einen schweren Stand. Als die Kunde von der Wahl zur Arbeitnehmervertretung bei VW die Runde machte, plakatierte eine konservative Lobbygruppe auf großen Tafeln: „United Obama Workers“ — „Vereinigte Obama-Arbeiter“. Örtliche Politiker drohten damit, VW keine Investitionshilfen mehr zu gewähren. Senator Corker baute das Schreckensszenario auf, dass das Werk ein geplantes zweites Modell verlieren könnte, wenn die UAW gewinnen würde. Das hätten ihm VW-Manager gesagt. Werksleiter Frank Fischer sah sich zu einem Dementi veranlasst. Letztlich entschied sich eine Mehrheit der VW-Werker in Chattanooga gegen eine Vertretung ihrer Interessen durch die UAW. Die einen sagten, es gehe ihnen doch gut, denn VW zahle überdurchschnittlich hohe Löhne. Andere wollten sich die Gewerkschaftsbeiträge sparen. Wieder andere misstrauten der UAW.
Gewerkschaftschef Bob King zeigte sich nach der Niederlage geknickt. Gemeinsam könnten Unternehmen und Mitarbeiter erfolgreicher sein, sagte er. „Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür. Deutschland hat extrem hohe Löhne und ist gleichzeitig extrem erfolgreich, weil die Leute zusammenarbeiten.“