VW erzielt erste Einigung mit US-Behörden im Abgas-Skandal
San Francisco/Wolfsburg (dpa) - Volkswagen hat sich mit den US-Behörden auf die Grundzüge einer Lösung im Abgas-Skandal verständigt.
Damit ist die größte Gefahr für den Konzern in den USA vorerst gebannt: Das Risiko eines raschen Mammutprozesses ist zunächst abgewandt - VW hat nun die Möglichkeit, mit Behörden und Sammelklägern Vergleiche auszuhandeln.
Die Eckpunkte solcher Einigungen stehen den Angaben zufolge bereits. Doch viele Fragen - vor allem zu den gesamten Kosten für den Konzern - sind am Donnerstag noch offen geblieben. Es drohen weiterhin Milliardenzahlungen.
„Ich bin sehr angetan, mitteilen zu können, dass die Parteien einen konkreten Plan vorgelegt haben“, verkündete der Bezirksrichter Charles Breyer bei einer Gerichtsanhörung in San Francisco. Es gehe zunächst um die rund 480 000 in den USA von der Affäre um manipulierte Emissionswerte betroffenen VW-Diesel mit 2,0-Liter-Motoren. Eine Einigung für alle der fast 600 000 Dieselwagen - dazu zählen auch noch etliche Fahrzeuge mit größeren 3,0-Liter-Motoren - stehe noch aus.
Die Lösung umfasse die Option, dass VW einen Großteil der Autos zurückkaufe oder durch Umrüstung in einen zulässigen Zustand versetze. Leasingnehmern werde das Recht eingeräumt, ihre Verträge zu beenden und ihre Wagen zurückzugeben. Zudem werde der Hersteller „substanziellen Schadenersatz“ an die Besitzer zahlen. Konkrete Zahlen hierzu wurden aber zunächst nicht genannt. Nach einem noch unbestätigten Bericht der „Welt“ sollen die Besitzer in den USA 5000 Dollar als Wiedergutmachung erhalten.
Ob davon auch Kunden im Ausland profitieren, ist ungewiss. VW stellte klar: „Die sich nun abzeichnenden Regelungen in den USA werden in Verfahren außerhalb der USA keine rechtlichen Wirkungen entfalten.“ Für deutsche Besitzer manipulierter Dieselwagen aus dem VW-Konzern gelten die in den USA ausgehandelten Entschädigungen also nicht. Auch hierzulande mehren sich aber kritische Stimmen aus Politik und Autoclubs, die Klarheit für die Kunden verlangen. Weltweit betrifft der Skandal über elf Millionen Fahrzeuge.
Breyer beraumte für den 19. Mai eine weitere Gerichtsanhörung an und setzte eine Frist bis zum 21. Juni für eine detaillierte Einigung. Zudem gebe es auch noch die Frage nach Strafen und Bußgeldern für VW, sagte der Richter.
Das US-Justizministerium betonte, dass es sich bislang nur um einen teilweisen Kompromiss handele. „Die prinzipielle Einigung betreffe lediglich „einen wichtigen Aspekt der laufenden Verfahren gegen VW“, teilte ein Sprecher mit. Die anderen Ermittlungen des Ministeriums blieben aktiv und würden fortgeführt.
Auch der New Yorker Staatsanwalt Eric Schneiderman machte in einer Stellungnahme deutlich, dass diverse US-Bundesstaaten weiter „aggressiv“ auf angemessenen Schadensersatz und Strafen drängen würden.
Zumindest Richter Breyer zeigte sich aber fürs Erste zufrieden. Er habe VW und den Behörden „aggressive Ultimaten“ gesetzt: „Meiner Auffassung nach wurden diese Fristen eingehalten.“ Bei Breyers Gericht in Nordkalifornien sind über 600 Zivilklagen zumeist von geschädigten Autobesitzern, aber auch vom US-Justizministerium und anderen US-Behörden gebündelt.
Volkswagen zufolge wurde auch mit den privaten Sammelklägern eine grundsätzliche Einigung erzielt. „Diese Vereinbarung wird in den kommenden Wochen in einen umfassenden Vergleich überführt werden“, erklärte ein Sprecher in Wolfsburg.
Breyer hatte für den Fall, dass VW keine fristgemäße Einigung mit den US-Behörden findet, mit einer Prozesseröffnung bereits in diesem Sommer gedroht. Das wäre für den Konzern ein Schreckensszenario gewesen, weil die Möglichkeit außergerichtlicher Vergleiche dadurch verloren gegangen und somit die Kontrolle über das Verfahren womöglich entglitten wäre.
„Volkswagen sieht sich verpflichtet, das Vertrauen der Kunden, Aufseher, Händler und der US-Bürger zurückzugewinnen“, teilte eine Sprecherin der US-Tochter Volkswagen of America mit. Die prinzipiellen Einigungen seien ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Wiedergutmachung. Das Unternehmen wolle seine Kunden vollumfänglich entschädigen.
Dem Autobauer drohen nun hohe Kosten wegen der Umrüstungen, Rückkäufe und möglicher anderer Auflagen der US-Regulierer. Der Konzern will die Rückstellungen für die Bewältigung des „Dieselgate“-Skandals deshalb Insidern zufolge deutlich erhöhen. Bislang hat Volkswagen dafür 6,7 Milliarden Euro beiseite gelegt. Die Wolfsburger hatten im September 2015 nach Vorwürfen des US-Umweltamts EPA zugegeben, in großem Stil bei Abgastests getrickst zu haben.