Kartellamt nimmt kriselnden Milchmarkt unter die Lupe

Bonn/Frankfurt (dpa) - Das Bundeskartellamt prüft mögliche Beeinträchtigungen des Wettbewerbs auf dem von einem dramatischen Preisverfall geprägten deutschen Milchmarkt.

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Die Wettbewerbsbehörde hat den Verdacht, dass die Milchbauern durch die in der Branche üblichen langfristigen und umfassenden Verträge mit den Molkereien in ihrer Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt werden und der Markt so gegen neue Molkereien abgeschottet wird. Der Milchpreis in Deutschland wird aller Voraussicht nach in den kommenden Wochen weiter sinken - trotz zuletzt massiver Bauernproteste.

Nach einem Bericht der „Lebensmittel Zeitung“ hat der Einzelhandel in der aktuellen Preisrunde erste Kontrakte abgeschlossen, die die Milch für den Verbraucher noch einmal um rund 10 Cent pro Liter billiger machen könnten. Wenn der Handel die Nachlässe wie gewöhnlich an die Kunden weitergebe, werde der Preis für einen Liter Vollmilch von 59 auf 49 Cent sinken, berichtete das Fachblatt. Auch Quark und Frischkäse würden voraussichtlich deutlich billiger. Handelskreise bestätigten der Deutschen Presse-Agentur die Tendenz des Berichts.

Die Milchproduzenten leiden seit Monaten unter Niedrigpreisen. Als Ursache gilt das Überangebot auf dem europäischen Milchmarkt.

Kartellamtspräsident Andreas Mundt betonte am Donnerstag: „Unser Verfahren kann nicht die aktuelle Krise am Milchmarkt lösen.“ Kartellrechtskonforme Lieferbedingungen könnten aber dazu beitragen, dass der Milchmarkt mittelfristig besser funktioniere.

In einem Pilotverfahren will die Wettbewerbsbehörde zunächst die Lieferbedingungen der norddeutschen Großmolkerei DMK Deutsches Milchkontor GmbH sowie ihrer Muttergesellschaft Deutsches Milchkontor eG untersuchen. In dem Verwaltungsverfahren kann die Behörde keine Bußgelder verhängen, doch kann sie Vorgaben für die Gestaltung von Verträgen machen.

Mundt betonte, der Wegfall der staatlichen Mengensteuerung über die Milchquote im vergangenen Jahr habe bislang kaum Auswirkungen auf die Verträge zwischen den Erzeugern und den Molkereien gehabt. Nach wie vor seien langfristige Verträge die Regel. Sie verpflichteten die Erzeuger, ihre gesamte Produktionsmenge vollständig an „ihre“ Molkerei zu liefern. Hinzu kämen Referenzpreissysteme, die dazu führten, dass die Preisänderung einer Molkerei umgehend entsprechende Preisänderungen bei anderen Molkereien nach sich zögen.

Hierdurch werde möglicherweise der Wettbewerb der Molkereien um die Rohmilch einschränkt und eine wirksame Mengensteuerung über den Markt behindert. „Das ginge zu Lasten der Landwirte“, meinte Mundt.

Beim Deutschen Raiffeisenverband (DRV) stießen die Pläne des Bundeskartellamtes auf scharfe Kritik. DRV-Präsident Manfred Nüssel warnte die Wettbewerbsbehörde davor, in bewährte gesellschaftsrechtliche Strukturen einzugreifen, die zwischen den landwirtschaftlichen Milcherzeugern und ihren Genossenschaften bestehen. Er betonte, die Landwirte entschieden als Eigentümer der Molkereigenossenschaften selbst über ihre Lieferbedingungen wie Vollablieferungspflicht, Kündigungsfristen und Qualitätskriterien.

Von der Großmolkerei DMK war zunächst keine Stellungnahme zum Schritt des Kartellamtes zu erhalten.