Wechsel nach Wolfsburg VW-Konzern holt BMW-Vorstand Duesmann
Wolfsburg (dpa) - BMW-Einkaufschef Markus Duesmann wechselt in den Konzernvorstand von Volkswagen - und könnte bald neuer Audi-Chef werden.
Eine Vereinbarung zum Eintritt in den VW-Vorstand sei bereits unterzeichnet worden, teilte der weltgrößte Autokonzern am Dienstag in Wolfsburg mit.
„Die Position des Audi-Chefs ist nur eine von mehreren Möglichkeiten“, erfuhr die Deutschen Presse-Agentur aus informierten Kreisen. Denkbar sei aber auch, dass Duesmann ein Technikressort oder das China-Geschäft - den wichtigsten Einzelmarkt des Konzerns - leiten werde.
BMW-Chef Harald Krüger hatte am Montagabend vor leitenden Mitarbeitern in München mitgeteilt, dass Duesmann das Unternehmen „aus persönlichen Gründen“ verlässt und seinen noch gut ein Jahr laufenden Vertrag ruhen lässt.
VW teilte mit, Duesmann werde „seine Tätigkeit aufnehmen, sobald er hierfür zur Verfügung steht“. Die genaue Aufgabe sei allerdings bisher offen. „Es gibt noch keine Entscheidung über die Ressortverantwortung“, sagte Aufsichtsratssprecher Michael Brendel.
Audi-Chef Rupert Stadler, der auch Mitglied des VW-Konzernvorstands ist, sitzt im Zusammenhang mit dem Dieselskandal seit einem Monat in Untersuchungshaft. Er ist beurlaubt, bis die Vorwürfe geklärt sind. Seither führt Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot die VW-Tochter kommissarisch.
Der Maschinenbau-Ingenieur Duesmann hatte seine Karriere bei Mercedes-Benz angefangen, war 2007 zu BMW ins Formel-1-Team gewechselt und wurde 2012 Leiter der BMW-Motorensparte. Seit Oktober 2016 ist er Einkaufsvorstand. Für Schlagzeilen sorgte er kürzlich mit einem Milliardenvertrag mit dem größten chinesischen Batteriezellenbauer CATL, der ein Werk in Thüringen baut.
Volkswagen kann Duesmanns technische Expertise brauchen, weil der Konzern im Abgasskandal mehrere Topmanager auf diesem Feld verloren hat - von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn über die Audi-Technikvorstände Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch sowie VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer bis zu Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz.
Duesmann ist nicht der erste prominente Manager, den VW von BMW holt. Auch Konzernchef Herbert Diess kam 2015 aus München, wo er für das Entwicklungsressort zuständig gewesen war. Bernd Pischetsrieder war von 1993 bis 1999 BMW-Chef, von 2002 bis 2006 VW-Chef. Bevor Duesmann in Wolfsburg oder Ingolstadt anfängt, sind aber noch zwei hohe Hürden zu überwinden: sein Vertrag bei BMW und Rupert Stadlers Vertrag bei Audi.
Duesmanns Vertrag mit BMW ruht bis zum Ablauf im September 2019 - so hat er es mit BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer vereinbart. Außerdem hat er laut „Handelsblatt“ eine Wettbewerbsklausel darin stehen. Nach Angaben des Arbeitsrechtlers Max Wittig gilt normalerweise: Je wichtiger die Position, desto länger die Sperrzeit für einen Wechsel zur Konkurrenz. Bis zu zwei Jahre nach Vertragsablauf sind möglich. Mitunter einigen sich der alte und der neue Arbeitgeber aber gegen hohe Zahlungen.
Stadlers Vertrag bei Audi läuft sogar noch bis 2022. Er ist nur vorübergehend von seinen Aufgaben entbunden, „bis der Sachverhalt geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat“. Kündigen kann der Aufsichtsrat ihm nur aus wichtigem Grund - ein bloßer Verdacht reicht nicht. Auch hier gibt es aber mitunter den „goldenen Handschlag“. Audi-Aufsichtsrätin Hiltrud Werner warnte am Dienstag in der „Financial Times“ davor, Stadler jetzt weiter zu demütigen.
Audi-Betriebsratschef Peter Mosch, der in den Aufsichtsräten von Audi und VW eine wichtige Rolle spielt, hatte auf einer Betriebsversammlung Mitte Juli eine nachhaltige Lösung an der Audi-Spitze gefordert. Außerdem müsse Audi wieder Technologieschmiede werden. Schot sollte als kommissarischer Chef den Weg in diese Zukunft ebnen.
Auto-Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte, Duesmann passe „gut rein“ bei VW, er kenne die Industrie „aus dem Effeff“. Er könnte Audi-Chef werden oder „Chief Operating Officer“ (COO) fürs Tagesgeschäft der Marke VW unter Diess. Es könne für Diess eine Befreiung sein, wenn ein neuer Manager von außen komme, sagte Dudenhöffer mit Blick auf mögliche alte Seilschaften bei VW: „Man konnte keinen Besseren finden.“ Gleichzeitig warnte er vor einem „Krieg“ zwischen BMW und Volkswagen, falls weitere Manager die Münchner in Richtung Wolfsburg verließen: „Das würde als sehr unfreundlicher Akt empfunden werden.“
Branchen-Fachmann Stefan Bratzel sieht den Wechsel als „große Chance“ für den 49 Jahre alten Westfalen. Der jüngste BMW-Vorstand hätte in München vermutlich nicht weiter aufrücken können. Wer sein Nachfolger als Einkaufsvorstand wird, ist noch offen - möglicherweise sagt Krüger am kommenden Donnerstag bei der Vorlage der Halbjahreszahlen mehr.