Sorge um Entwicklungszentrum Wende in Rüsselsheim: Opel macht wieder Gewinn

Paris/Rüsselsheim (dpa) - Nach fast 20 verlustreichen Jahren hat der Autobauer Opel überraschend einen operativen Gewinn ausgewiesen.

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In dem veröffentlichten Betriebsergebnis für das erste Halbjahr 2018 von 502 Millionen Euro sind zwar weder Einmalkosten, Steuern oder Zinsen berücksichtigt, gleichwohl sieht der neue Mutterkonzern PSA aus Frankreich einen erfolgreichen Neustart der vor knapp einem Jahr übernommenen Marke. PSA-Konzernchef Carlos Tavares lobte in Rueil-Malmaison bei Paris euphorisch Opel-Management und -Mitarbeiter: „Sie haben meine Wertschätzung.(...)Es sind tolle Leute.“

Die frühere General-Motors-Tochter Opel hat mit ihrer britischen Schwestermarke Vauxhall seit 1999 keinen Gewinn mehr für ein Gesamtjahr ausgewiesen. Zuletzt gab es im zweiten Quartal 2016 operativ schwarze Zahlen, die aber schnell wieder dahinschmolzen. PSA mit den Marken Citroën, Peugeot und DS hatte den deutschen Sanierungsfall im vergangenen August übernommen. Neue Opel-Modelle entstehen ausschließlich auf von PSA bereitgestellten Plattformen, was zu Kostenvorteilen etwa im Einkauf und bei der Entwicklung führt.

Tavares sagte, die Fixkosten seien bei Opel um 28 Prozent gesunken. Finanzvorstand Jean-Baptiste de Chatillon sprach von einer Betriebsmarge bei Opel von 5 Prozent des Umsatzes, der im Halbjahr knapp 10 Milliarden Euro betragen hatte. „Opel macht wieder Geld.“ Nach Werksangaben steigt der Gewinn pro verkauftem Auto. Laut PSA-Bilanz hat Opel in den ersten sechs Monaten weltweit 572 000 Autos verkauft, etwas weniger als ein Jahr zuvor unter GM-Regie, als 599 000 Verkäufe berichtet wurden.

Bei dem im vergangenen November vereinbarten Sanierungsplan sei etwa die Hälfte des Weges geschafft, erklärte der Finanzchef. Für Abfindungen und andere Restrukturierungskosten wendete PSA im ersten Halbjahr 406 Millionen Euro auf.

Unsicherheiten gibt es indes weiter unter den rund 7000 Beschäftigten im Opel-Entwicklungszentrum Rüsselsheim. Tavares verteidigte Überlegungen des Managements, Teile des Zentrums möglicherweise an einen externen Dienstleister zu verkaufen. Die französische Zeitung „Le Monde“ hatte vier Firmen als mögliche Partner ausgemacht: die französischen Unternehmen Altran, Akka und Segula und das deutsche Unternehmen Bertrandt.

Das Auftragsvolumen des Opel-Alteigentümers General Motors für Rüsselsheim gehe vertragsgemäß mittelfristig zurück, erläuterte der PSA-Chef. Es sei seine Pflicht, zu verhindern, dass die daran hängenden Jobs verschwinden. Noch sei nichts entschieden, und Opel-Chef Michael Lohscheller werde rechtzeitig auf die Sozialpartner zugehen. Das Zentrum in Rüsselsheim bleibe zudem fester Bestandteil des globalen Entwicklungsnetzwerks der PSA-Gruppe.

Der PSA-Konzern steigerte seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten gemessen am Vorjahreszeitraum um gut 40 Prozent auf 38,6 Milliarden Euro. Auf die erstmals enthaltene Opel-Vauxhall-Sparte entfielen davon 9,95 Milliarden Euro. Ohne den Zukauf wuchs das Geschäft um 22,9 Prozent. Der Nettogewinn des Konzerns betrug 1,7 Milliarden Euro, 242 Millionen Euro mehr als zuvor.

Die Aktien von PSA schossen nach der Zahlenvorlage um knapp zehn Prozent auf 22,40 Euro nach oben. Sie waren damit so teuer wie seit rund sieben Jahren nicht mehr.

„Die soliden Halbjahresergebnisse von Opel sind erste Früchte der notwendigen harten Sanierung unter der neuen Führung von PSA, sagte der deutsche Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Nur durch Synergien mit einem starken Partner könne Opel wieder nachhaltig in die Erfolgsspur und einen Imagewandel einleiten. Der Direktor des CAR-Institus an der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, hatte zuvor beklagt, dass Opel seine Eigenständigkeit verliere und zu einer „Design-Hülle“ für PSA-Technik werden könne.

Ende Mai hatten sich Unternehmen und Arbeitnehmer auf eine Beschäftigungssicherung bis einschließlich 2023 geeinigt. Gegen Lohnzugeständnisse der verbleibenden Beschäftigten sicherte Opel zu, den Stamm an den deutschen Standorten von bisher 19 000 Mitarbeitern um 3700 zu verringern. Der Abbau läuft auf freiwilliger Basis über verschiedene Abfindungs- und Vorruhestandsprogramme. Die Auflösungsverträge sind nach Firmenangaben sämtlich unterschrieben.

Den verbleibenden Mitarbeitern stellte Konzernchef Tavares weitere Investitionen in Aussicht. Wenn der Sanierungsplan „Pace“ eingehalten werde, gebe es keinen Grund, warum die Gewinne nicht nachhaltig sein sollten, erklärte der Portugiese. Die deutschen Werke würden weitere Investitionen für neue Produkte erhalten, wenn sie wettbewerbsfähig blieben. Thüringens Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erneuerte seine Forderung nach zusätzlichen Produktionsplänen für das schwach ausgelastete Werk Eisenach.