Dank guter Konjunktur Weniger Firmenpleiten - kommt die Trendwende 2018?
Frankfurt/Main (dpa) - Air Berlin, Alno, Solarworld: Pleiten bekannter Unternehmen haben in diesem Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Insgesamt jedoch sank die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform auf den niedrigsten Stand seit 1994.
Viele Unternehmen profitieren von der weltweiten Nachfrage nach „Made in Germany“ und der Konsumfreude der Verbraucher. Doch das Bild hat Risse: Tausende Beschäftigte bangen trotz boomender Konjunktur um ihren Job, Gläubiger um ihr Geld. Vor allem Dienstleister und Handel rutschten in die Pleite. Zudem halten Experten die Verschuldung vieler Firmen für gefährlich hoch.
Nach Schätzungen von Creditreform hat sich die Zahl der Firmenpleiten - in diesem Jahr auf 20 200 verringert. Das entspricht gegenüber dem Höchststand 2003 fast einer Halbierung. Die Mitarbeiter in den zusammengebrochenen Firmen trifft es jedoch hart. Etwa 198 000 Arbeitsplätze sind weggefallen oder bedroht (Vorjahr: 221 000).
Angeführt wird das traurige Pleiten-Ranking von der Fluggesellschaft Air Berlin, die nach jahrelangem Sinkflug in diesem Sommer mit gut 8000 Beschäftigten hart auf dem Boden der Tatsachen landete - eine der größten Insolvenzen in Deutschland in den vergangenen Jahren.
Ende November stellte der Küchenhersteller Alno seinen Geschäftsbetrieb endgültig ein. Es hatte sich kein Investor für das Traditionsunternehmen gefunden, das im Sommer noch etwa 1860 Mitarbeiter beschäftigte, davon 1300 im Inland.
Für Schlagzeilen sorgte zudem eine Großpleite in der Schifffahrt: Die Hamburger Reederei Rickmers stellte im Mai Insolvenzantrag. Mittlerweile gibt es dort einen Investor. Zuletzt beschäftigte das Unternehmen etwa 2000 Mitarbeiter. Zu den Großpleiten zählt auch die Insolvenz von Solarworld mit 1800 Beschäftigten. Nach einer Neuordnung macht der Photovoltaik-Experte deutlich kleiner weiter.
Firmenzusammenbrüche verursachen Schäden in Milliardenhöhe: Handwerker, Lieferanten, Kreditgeber müssen häufig zumindest auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Auf insgesamt 26,6 Milliarden Euro schätzt Creditreform die Schäden in diesem Jahr. Das sei wegen der Großpleiten nur geringfügig weniger als 2016 mit 27,5 Milliarden Euro. „Die Schäden, die Insolvenzen für die Gläubiger hervorrufen, sind nach wie vor immens“, bilanzierte Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer von Creditreform, am Dienstag in Frankfurt.
Zwar rechnen die Experten angesichts der guten Aussichten für die Konjunktur 2018 mit einem weiteren Rückgang der Firmenpleiten auf 18 000 bis 20 000 Fälle. Mit Sorge sieht die Auskunftei aber die aus ihrer Sicht teils gefährlich hohe Verschuldung. „Im Durchschnitt sind - insbesondere im Mittelstand - rund zwei Drittel der Vermögenswerte mit Fremdkapital finanziert“, erklärt Creditreform. Trotz historisch niedriger Kreditzinsen und einer allgemein guten Ertragslage seien gut 15 Prozent der Unternehmen nicht in der Lage, ihre Zinsaufwendungen aus dem Tagesgeschäft zu finanzieren.
Es bestehe durchaus das Risiko, dass diese Firmen irgendwann ihre Schulden nicht mehr bedienen könnten. Wenn die Zinsen im Euroraum wieder steigen, würde das den Druck noch erhöhen. „Heute überleben viele Unternehmen, weil die Zinskosten so niedrig sind. Wenn die Zinskosten steigen, wird das Überleben schwieriger“, warnt Ulbricht.
Nach einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Analyse der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel werden fast 312 000 Unternehmen in Deutschland mit finanziellen Problemen ins Jahr 2018 starten. „Trotz der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen stieg die Zahl der Firmen mit einem hohen Zahlungsausfallrisiko“, konstatierte Crifbürgel-Geschäftsführerin Ingrid Riehl. „Der Anstieg der Zahlen bei den finanzschwachen Unternehmen zeigt ..., dass wir uns auf eine Trendwende bei den Firmeninsolvenzen einstellen müssen.“
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnte jüngst, die Niedrigzinsen hielten in vielen Ländern Unternehmen über Wasser, die unter normalen Bedingungen nicht überlebensfähig wären. Schonungslos sprachen die Pariser Experten von „Zombie“-Firmen.