Wenn Dax-Chefs am Klartext scheitern
Die Reden der Top-Manager von Linde, K+S, Allianz und Beiersdorf sind oft nur schwer verständlich. Der BMW-Chef fällt positiv auf.
Stuttgart/Hannover. Der ganz dicke Klopfer in dem Manuskript hält sich auf der vorletzten von insgesamt 28 Seiten versteckt. Dort lauert der Marathon-Satz im zweiten Absatz und nötigt seinem Redner bis zum Punkt 51 Wörter ab. Das ist Rekord. Und der geht an Norbert Steiner, Chef des Kasseler Dünger- und Salzproduzenten K+S.
Der Satz, in dem nur ein Komma zum Luftholen einlädt, war Teil der Steiner-Rede vor den K+S-Aktionären bei der Hauptversammlung Mitte Mai. Und was für den Bandwurmsatz gilt — vollendete Unverständlichkeit — gilt auch für weite Teile der gesamten Rede Steiners. Mit ihr belegt der Manager den viertletzten Rang in einer Analyse, die die Reden der jüngsten Hauptversammlungen bei den 30 Dax-Konzernen untersucht hat.
Ein Beispiel dafür, dass statt Kauderwelsch auch Klartext gelingen kann, gibt BMW-Boss Norbert Reithofer. Er führt die Studie an, in der die Kommunikationswissenschaftler um Frank Brettschneider von der Uni Stuttgart-Hohenheim Deutschlands Managerelite fern von Bilanzkennzahlen bewerten. Reithofer holt 18,4 von 20 möglichen Punkten. Zum Vergleich: Steiner kommt nur auf 8,1. Schlechter bestellt ist es nur noch um die Verständlichkeit der Reden von Stefan Heidenreich (Beiersdorf - 8,0) Allianz-Chef Michael Diekmann (7,7) und Wolfgang Reitzle (Linde - 6,7).
„Gelegentlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Rede auf der Hauptversammlung ein lästiger Pflichttermin ist“, sagt Brettschneider, der die Analyse in Zusammenarbeit mit dem „Handelsblatt“ erstellt. Seine Studie beurteilt dabei zwar nur die formale Verständlichkeit und schaut dafür auf die Länge von Sätzen, deren Aufbau, die Portionierung von Informationen oder auf den Fremdwörteranteil.
Doch auch wenn weitere Kriterien die Güte einer Rede ausmachen, darunter etwa der Vortragsstil, bleiben die formal verständlichsten Botschaften beim Zuhörer besser in Erinnerung. Klartext statt Kauderwelsch sollte also eine Grundregel sein. Außerdem betont die Studie: „Verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche Botschaften.“ Und Aktionäre sollen ja vertrauen. Hinter Spitzenreiter Reithofer rangiert Ulf Schneider (Fresenius). Frank Appel (Deutsche Post) und RWE-Chef Peter Terium teilen sich Rang drei.