Wieder mehr Aktionäre in Deutschland
Frankfurt/Main (dpa) - Das Zinstief treibt die eher börsenscheuen Deutschen vermehrt in Aktien und Fonds. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen im vergangenen Jahr Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds - das ist der höchste Stand seit 2012 (knapp 9,5 Millionen Aktionäre).
„Die Deutschen haben 2015 wieder Vertrauen in die Aktie und den Aktienfonds gefasst“, bilanzierte das Deutsche Aktieninstitut (DAI) am Dienstag in Frankfurt. Zum Vorjahr gab es ein Plus von 6,7 Prozent oder 560 000. Die Zahlen hatte zuerst die „Bild“-Zeitung vermeldet.
Von einer Aktienkultur wie in anderen Industrienationen sei Deutschland allerdings nach wie vor weit entfernt, konstatierte DAI-Chefin Christine Bortenlänger: „Dass nur 14 Prozent der Bevölkerung am Aktienmarkt partizipieren, ist immer noch viel zu wenig.“ Auch der Höchststand aus Zeiten des Börsenbooms um die Jahrtausendwende ist alles andere als greifbar: 2001 war die Zahl der Aktienanleger in Deutschland auf fast 13 Millionen geschnellt.
Positiv sei zumindest, dass die Aktie als Alternative zu Sparbuch und Festgeld wieder stärker wahrgenommen werde - auch als Baustein in der Altersvorsorge, erklärte das DAI. Bei den unter 40-Jährigen sei die Zahl der Aktionäre überproportional um zehn Prozent oder 170 000 gestiegen. Auch die Schere zwischen Ost (12,6 Prozent Aktienanleger) und West (14,4 Prozent) habe sich weitgehend geschlossen.
Nun müsse sich zeigen, wie dauerhaft der Aufschwung sei, sagte Bortenlänger der Deutschen Presse-Agentur: „Diese Entwicklung muss sich erst beweisen - gerade jetzt, wenn man sich den Jahresanfang 2016 anschaut.“ Der deutsche Leitindex Dax hatte am Montag erstmals seit Oktober 2014 unter der Marke von 9000 Punkten geschlossen. Auch am Dienstag blieb die Lage am Aktienmarkt zunächst angespannt.
Bortenlänger warnte angesichts der aktuellen Kurse vor Panik. Der Markt reagiere nach einem steilen Anstieg nun auf die vielen ungelösten Fragen. „Es gibt keine klaren Antworten. Man könnte so viele Stichworte nennen: Griechenland, Ukraine, Ölpreis, Flüchtlinge - insofern ist es nicht erstaunlich, dass der Markt jetzt mal deutlich korrigiert“, sagte Bortenlänger.
„Es ist sicher so, dass es keine leichten Zeiten für die Aktie sind. Andererseits bleibt gleichzeitig zu beobachten, dass auch für alle verzinsten Papiere momentan keine sehr gute Phase herrscht“, sagte Bortenlänger. „Insofern ist besonders wichtig, die langfristige Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren und gerade jetzt nicht kurzfristig hektisch bei Anlageentscheidungen zu reagieren.“
Die Aktie habe sich „langfristig auch in Krisenphasen immer sehr, sehr gut geschlagen“, betonte die Chefin des Aktieninstituts. „Die Aktienanlage ist dann - auch für den Privatanleger - eine sehr gute Anlage, wenn sie langfristig betrieben wird.“ Es sei wichtig „eine Perspektive von mindestens 10, 12, 15 Jahren zu haben - und da hat sich die Aktie mit einer durchschnittlichen Rendite von neun Prozent sehr gut geschlagen“, erklärte Bortenlänger. „Und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so sein wird.“
Die meisten Deutschen machen trotz des Zinstiefs weiterhin einen weiten Bogen um den Aktienmarkt. Der Absturz der „Volksaktie“ Telekom und das Platzen der New-Economy-Blase am Neuen Markt um die Jahrtausendwende haben viele Kleinanleger nachhaltig verschreckt.