Winterkorn trimmt VW-Kernmarke auf Rendite

Wolfsburg (dpa) - Mit einer Brandrede hat Volkswagen-Chef Martin Winterkorn seine Führungskräfte auf milliardenschwere Sparbemühungen für die zentrale Pkw-Kernmarke eingeschworen.

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Der bisherige Kurs von VW-Pkw gefährde die Renditevorgabe aus der Konzernstrategie, mit der die Wolfsburger bis 2018 Weltmarktführer werden wollen. „Seien wir ehrlich: Wir haben in der Produktivität gegenüber den Kernwettbewerbern unverändert erheblichen Nachholbedarf“, sagte Winterkorn am Montagabend vor VW-Führungskräften in Wolfsburg.

„Wir müssen in den Jahren 2014, 2015, 2016 finanziell auf Zielkurs kommen. Denn ohne entsprechende finanzielle Basis wird und muss jede Strategie scheitern“, sagte Winterkorn. Er taxierte das schrittweise zu erreichende Sparziel auf jährlich fünf Milliarden Euro von 2017 an. Ein VW-Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht zu den Angaben äußern.

Im Ringen um den Sparkurs demonstriert der Konzernbetriebsrat Stärke. Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat würden Fahrzeugprojekten nur noch zustimmen, wenn sie mehr Rendite schafften als die Vorgängermodelle. „Alles andere wird es nicht mehr geben, weil das Spielereien auf dem Rücken der Beschäftigten sind“, schreibt VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh in der internen VW-Mitarbeiterzeitung. Sie lag der Nachrichtenagentur dpa und dem Hamburger Magazin „Bilanz“ vor.

Bei der Erweiterung neuer Werke - etwa für neue Modelle - oder beim Fabrikneubau hat die Arbeitnehmerseite Vetorechte. Diese Karte spielt Osterloh nun aus. „Da streichen wir ganze Projekte, wenn es drauf ankommt“, kündigte er als Drohkulisse schon einmal vorsorglich an.

Winterkorns Aussagen finden sich auch in einem Rundschreiben ans Management, das der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag vorlag. Zuerst hatte das Hamburger Magazin „Bilanz“ über das Sparziel berichtet. Auch „Manager Magazin“ und „Handelsblatt“ berichteten am Dienstag vorab online. Laut „Manager Magazin“, das sich auf Aufsichtsratskreise beruft, hat der 67-Jährige die 2018-Ziele nachhaltig zur eigenen Chefsache erklärt und wird seinen Vertrag um zwei Jahre bis 2018 verlängern.

Es gehe um „Zukunftssicherung für unsere Marke und für die nächsten Generationen bei Volkswagen“, sagte der Chef des größten Konzerns hierzulande und beklagte: „Heute ist die Ertragskraft unserer Marke noch zu gering.“ VW-Pkw soll 2018 - ohne das getrennt bilanzierte China-Geschäft - vor Zinsen und Steuern sechs Prozent vom Umsatz einfahren. Vergangenes Jahr kamen aber nur 2,9 Prozent zusammen.

Winterkorn weiter: „Deshalb gilt es jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die deutlich, wirksam und auch schmerzhaft sind.“ So gelte es etwa, zu hinterfragen, welche Arbeiten künftig Zulieferer übernehmen könnten.

Trotz der eindeutigen, mahnenden Worte ist die Winterkorn-Rede kein Anzeichen für eine Unternehmenskrise. Die fünf Milliarden Euro sind eine Teamaufgabe für die gesamte Kernmarke. Die Mannschaft hat dafür bis 2017 Zeit. Der gesamte Konzern setzt 40 Mal so viel um wie das Sparziel groß ist, die Kernmarke selber immerhin noch 20 Mal so viel.

Europas größter Autobauer will zudem von 2014 an bis 2018 insgesamt gut 84 Milliarden Euro investieren. Dennoch sind Winterkorns Worte auch eine Warnung vor zu viel Bequemlichkeit. So sei etwa der Bau einer Modellvariante des VW-Tiguan „nach heutigem Ermessen an einem deutschen Standort nicht wirtschaftlich machbar“.

Winterkorn betonte den teuren Vorlauf beim Autobauen. Es gelte, an dieser Stellschraube besonders zu drehen. „Die technische Entwicklung muss — wie schon heute bei der Innovationskraft — auch bei den Entwicklungskosten spitze sein. Diese schnellten seit 2010 um fast 80 Prozent in die Höhe. Hier gilt es dringend gegenzuhalten.“

VW-Pkw ist in mancher Hinsicht der Lastenesel des ganzen Konzerns. Die Marke ist federführend bei der Umsetzung des Baukastensystems MQB und muss einen Großteil dieser Kosten schultern - profitieren soll dann aber der Gesamtkonzern. Doch auch beim Hoffnungsträger MQB scheint es zu haken: „Die durchgängige Umsetzung dieses großen Projekts in Entwicklung, Beschaffung, Werken und allen anderen Bereichen ist ein echter Kraftakt“, sagte Winterkorn. Ende 2016 will VW die MQB-Technologie laut älteren Angaben in mehr als 20 Werken ausgerollt haben und seine Produktionskosten damit spürbar drücken. Doch mit den Worten des Konzernchefs klingt der Zeitplan zumindest ambitioniert. Alle seien verantwortlich, dass die gesetzten Ziele etwa bei Kosten und Termintreue erreicht werden, versprach er.

Winterkorn nannte als eine Stellschraube auch ein angebliches Missverhältnis zwischen Arbeitskosten und Produktivität - was auf das relativ hohe Tarifniveau bei VW anspielt. Einschnitte dort wird es aber laut Osterloh „mit uns nicht geben“. Denn mit den Arbeitskosten liege VW durchaus auf Wettbewerbsniveau. „Aber bei der Produktivität müssen Vorstand und Management endlich ihren Job machen“, schreibt Osterloh. So sei etwa das Management der Fabrikplanung mangelhaft.

Auch der Autoverkauf bereite Probleme. „Die Vertriebsplanung spottet häufig jeder Beschreibung“, schreibt Osterloh. Er mahnte auch eine bessere Verzahnung der gemeinsamen Einsparchancen in dem zwölf Marken zählenden Konzern an. So gelte es, auch die teils extern vergebene Entwicklungsarbeit besser zu koordinieren. „Da wird der Vorstand intensive Diskussionen mit uns bekommen“, kündigte Osterloh an.

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