Wirtschaft fürchtet Bahnstreik - Merkel appelliert

Berlin (dpa) - Die deutsche Wirtschaft fürchtet die schwer vorhersehbaren Folgen des bisher längsten Lokführerstreiks.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte am Mittwoch an das Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten: „Es gibt eine Gesamtverantwortung“, sagte sie.

Merkel betonte, es müssten Lösungen gefunden werden, „die auch für uns als Land einen möglichst geringen Schaden haben“. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte die Deutsche Bahn sogar auf, gegen den Streik vor Gericht zu ziehen: „Eine Klage wegen Unverhältnismäßigkeit des Streiks ist im Interesse der Bahnkunden, der Beschäftigten und der Aufrechterhaltung der Güterversorgung in Deutschland geboten.“

Wirtschaftsverbände zeigten sich besorgt über die kurz- und langfristigen Auswirkungen. „Was derzeit bei der Bahn passiert, ist Gift für den Standort Deutschland,“ sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks. Streiks im Güterverkehr führten bereits nach wenigen Tagen zu Produktionsstörungen, weil Bahntransporte oft nicht kurzfristig auf Straßen oder Schiffe verlagert werden könnten.

In Schlüsselbranchen wie der Autoindustrie sei die Produktionskette komplett auf Just-in-time-Fertigung ausgerichtet. „Auch für die deutschen Stahl- und Metallhändler (...) ist die Schiene wegen der zu transportierenden Masse unverzichtbar“, sagte der Präsident des Großhandelsverbandes BGA, Anton Börner. Der Maschinenbau ist ebenfalls in besonderem Maße von einer Logistikkette abhängig, deren exaktes Zusammenspiel dem eines Orchesters gleicht.

Der Autobauer Audi verlegt wegen des Streiks Transporte von der Schiene auf die Straße. „Einzelne, wichtige Lieferungen versuchen wir schon jetzt von der Bahn umzuleiten, zum Beispiel auf Lastwagen“, sagte ein Sprecher in Ingolstadt. Der Konzern wolle je nach Verlauf und Bedarf entscheiden, ob noch mehr Verlagerungen nötig sind.

Europas größter Autobauer Volkswagen stellt sich darauf ein, dass seine Produktionsbänder trotz des Streiks im Güterverkehr laufen. Ein Konzernsprecher sagte: „Wir beobachten die weitere Entwicklung sehr aufmerksam. Unser Ziel ist es, die Produktion an unseren Standorten aufrecht zu erhalten.“

Laut dem Statistischen Bundesamt entfielen nach den jüngsten Zahlen für das Jahr 2012 rund 71 Prozent der gesamten Transportleistung in Deutschland auf die Straße. Der Güterverkehr mit Eisenbahnen kam immerhin auf rund 17 Prozent.

Der Streik im Bahn-Güterverkehr trifft auch die beiden großen deutschen Seehäfen Hamburg und Bremen. Die Auswirkungen seien aber schwer vorhersehbar, sagten Experten der Nachrichtenagentur dpa.

Der anstehende Arbeitskampf soll im Personenverkehr 98 Stunden und im Güterverkehr sogar 109 Stunden laufen - also viereinhalb Tage. Die Deutsche Bahn will während des Rekordstreiks der Lokführer etwa die Hälfte ihres Schienen-Güterverkehrs aufrechterhalten.

Für die Kunden im In- und Ausland bedeute der Ausstand Verspätungen und Einschränkungen des Bahn-Angebots. Der Streik sollte am Mittwochnachmittag (15.00 Uhr) im Güterverkehr beginnen. Ab Donnerstagmorgen (2.00 Uhr) soll der Personenverkehr dazukommen - bis Montagmorgen um 4.00 Uhr. Es ist bereits die sechste Streikaktion im laufenden Tarifkonflikt.